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Reisch, Ludwig; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Contr.]
Der vorgeschichtliche Hornsteinabbau bei Lengfeld, Ldkr. Kelheim und die Interpretation "grobgerätiger" Silexindustrien in Bayern — Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte, Band 29: Kallmünz, Opf.: Lassleben, 1974

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74370#0066
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NEOLITHISCHE FUNDGRUPPEN

Neben den mit einiger Sicherheit belegten pa-
läolithischen Fundgruppen lassen sich anhand
eindeutiger Hornsteingeräte, der Fragmente von
geschliffenen Geräten und der wenigen Scherben
auch Indizien für eine neolithische Belegung der
Fundstelle erbringen, wobei sogar eine Unter-
gliederung in zwei verschiedene Zeitstufen an-
gedeutet ist.
Zwei der verzierten Scherben (Taf. 56, 6—7) mit
einem feinen, allem Anschein nach mittels eines
mehrzinkigen Kammes hergestellten Stichreihen-
ornament, könnten am ehesten von einem Stich-
bandkeramischen Gefäß stammen; Gumpert ver-
glich in seinem Manuskript 236 die Zierweise die-
ser Fragmente mit der auf Gefäßen des Plaidter
Typs. Auf jeden Fall aber darf man sie einer
mittelneolithischen Keramikgruppe zuweisen. In
den gleichen oder sogar in einen etwas älteren
Kulturzusammenhang könnte der derbe, wohl
organisch gemagerte und hell überfangene Scher-
ben (Taf. 56, 8) gehören. Auch das Schuhleisten-
keilchen (Taf. 56, 1) würde gut in die so ange-
deutete Gruppe passen, obwohl erst kürzlich
Maier237 Zweifel an der chronologischen Aussage-
kraft dieser Form angemeldet hat. Die beiden
Fragmente geschliffener Felsgesteingeräte (Taf.
56, 2—3) lassen über eine allgemein neolithische
Zeitstellung hinaus keine weitere Einengung zu,
da es nicht einmal möglich ist, ihr ursprüngliches
Aussehen zu bestimmen. Noch weniger Aussage-
wert hat der große Klopfstein (Taf. 55), ein sehr
langlebiger Typ, wie Lais 238 gezeigt hat. Silex-
geräte einer mittelneolithischen Phase lassen sich
nicht mit Sicherheit benennen. Vielleicht gehö-

ren die kantenretuschierten (Taf. 21, 1—6) und
einige der endretuschierten Klingen (z. B. Taf.
21, 11. 17) hierher, doch handelt es sich dabei um
Formen, die nicht ausschließlich nur diese Zuwei-
sung erlauben.
Andere Elemente, in erster Linie die bifazialen,
flächig bearbeiteten Hornsteingeräte (Taf. 16, 1—
3. 5; 17, 1. 3—4) bezeugen eine offensichtlich
jung- oder gar endneolithische Phase. Für das
von ihm gefundene Spitzenfragment hat schon
Födisch 239 ein jungneolithisches Alter angenom-
men. Für die übrigen bifazialen Formen gilt das
gleiche, auch wenn man nicht für alle gute Ver-
gleichsstücke aus der Literatur anführen kann.
Dies liegt jedoch vornehmlich am Stand der For-
schung bzw. der Aufarbeitung, denn bisher sind
nur wenige jungneolithische Siedlungen Bayerns
systematisch untersucht und die Silexinventare
nur selten mit wünschenswerter Gründlichkeit
behandelt worden. Trotzdem wird man nicht
fehlgehen, die hier vorliegenden Stücke mit Si-
cheln, Messern und bifazialen Schabern aus dem
Formenschatz der Altheimerkultur, der jungneo-
lithischen Pfahlbausiedlungen und zeitgleicher
Kulturgruppen in Verbindung zu bringen240. Da-
bei brauchen an dieser Stelle die etwa mit der
Herkunft dieser Sicheln und ihrer zeitlichen und
räumlichen Verbreitung verknüpften Fragen nicht
weiter behandelt zu werden, da die aus Leng-
feld vorliegenden Formen weder für deren Dis-
kussion einen Beitrag liefern noch dadurch in
ihrem chronologischen Wert näher präzisiert
werden können241. In Lengfeld sind diese Arte-
fakte zwar sehr selten, doch darf man ihnen eine

236) K. Gumpert, a. a. O. Manuskript, 196 ff.

237) R. A. Maier, a. a. O. 1964, 25 ff.

238) R. Lais, a. a. O. 1935.

239) H. Födisch, a. a. O. 1967 (a).

240) Vgl. etwa: L. Franz u. J. Weninger, Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee. Materialien
zur Urgeschichte Österreichs 3 (1927), 69 u. Taf. 31. — R. Ströbel, Die Feuersteingeräte der Pfahlbaukultur.
Mannus Bibliothek 66 (1939), 65 ff. — W. Dehn u. E. Sangmeister, Die Steinzeit im Ries. Materialhefte zur
bayerischen Vorgeschichte 3 (1954), 25 u. Taf. 12. — J. Driehaus, a. a. O. 1960, 79 ff. u. Taf. 36—37 u.
46—47. — H. Müller-Karpe, Die spätneolithische Siedlung von Polling. Materialhefte zur bayerischen Vor-
geschichte 17 (1961), 22 f. u. Taf. 18—19. — K. Willvonseder, Die jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen
Pfahlbauten des Attersees in Oberösterreich. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften 11/12, 1963—1968, 145 ff. u. Taf. 12—15.

241) Dazu insbesondere: J. Driehaus, Zur Datierung der Knaufhammeräxte. Jahrbuch des Römisch-Germanischen
Zentralmuseums Mainz 5, 1958, 4 f.; — K. Willvonseder, a. a. O. 1963—68, 148 ff. — Formen dieser Art,
vor allem die gezähnten, laufen bis in die frühe Bronzezeit weiter, worauf Maier jüngst hingewiesen hat:
R. A. Maier, Beispiele zur Fundstatistik der Stein- und Bronzezeit. Neue Ausgrabungen in Bayern (Sonder-
heft zu: Probleme der Zeit, Zeitschrift für Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur), München 1970, 10 ff.; vgl.

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