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Grab zu geben, eine recht späte. Bei der Untersuchung eines
Abtgrabes des 14. Jahrhunderts im Kloster Allerheiligen in
Schaffhausen waren ebenfalls keine Insignien auffindbar.
Nach der Entfernung der Funde galt die Untersuchung dem
Skelett selbst. Sämtliche Gebeine waren noch vorhanden, aber
teilweise in so mürbem Zustand, daß ein Herausnehmen ein-
zelner Partien zwecks Studium nur mit größter Vorsicht mög-
lich war. Dieser Zustand hat seine Ursache darin, daß der Bo-
den der Grabkammer nicht gemauert war, und so durch den
anstehenden Sand die Bodenfeuchtigkeit aufsteigen konnte.
Die Länge des Skeletts vom Fuß bis Ende Schädel betrug
1,84 m, davon fielen 0,98 m auf die untere Partie, d.h. von den
Füßen bis zum Becken, während das Maß des Oberkörpers
vom Becken bis zum Schädel 0,69 m betrug. Es handelt sich
hier also um eine Person von stattlicher Größe. Interessant
war der Schädel. Leider war er in zwei Hälften gebrochen, aber
es ließ sich feststellen, daß es sich um einen ausgesprochenen
dolichocephalen oder Langschädel handelte. Die Nähte des
Schädels sind total verwachsen, auch der Unterkiefer ist sehr
schmal, zeigt also typischen Altersschwund. Die Zähne des
Unterkiefers sind alle vorhanden, und zwar in tadelloser Er-
haltung. Der Unterkiefer zeigt ein auffallend hervorstehendes
Kinn. Die Zähne des Oberkiefers waren hinausgefallen.
Das Skelett zeigte gestreckte Lage, der Kopf leicht nach links
hingeneigt. Die beiden Arme lagen längs des Oberkörpers,
aber die Ellenbogen etwas abstehend. Die Hände berührten
beidseits das Becken.
Sonstige abnormale Bildungen wurden an den Knochen keine
bemerkt. Die Untersuchung des Skeletts zeigte deutlich, daß
der Bestattete ein hochbetagter Mann war, was für Berno zu-
treffen würde.
Es hat die Untersuchung des Skeletts ergeben, daß die An-
nahme, daß es sich um das Grab des Abts Berno handle, gut
möglich ist.
Endgültig wird diese Annahme erhärtet werden können durch
die Untersuchung der Stoffreste. Speziell das Muster auf den
Goldborten wird für die Zeitbestimmung des Grabes wichtig
sein.
Zum Schlüsse danke ich noch Hochw. Herrn Pfarrer Hörner
für das Vertrauen, das er mir durch die Berufung zur Grab-
nntersuchung bewies, und für das Glück, in der ehrwürdigen
Klosterkirche von Reichenau das Grab eines seiner hervor-
ragendsten Äbte untersuchen zu dürfen. Diese Stunden waren
für mich Weihestunden.
Schaffhausen, den 22. November 1929.
Der Direktor des Museums zu Allerheiligen
und Konservator des Kantons Schaffhausen:
gez. Dr. h. c. Karl Sulzberger
2. Folgerungen zur Baugesdiichte
Die Aufstellung der für die Baugeschichte verwertbaren Quel-
len und Nachrichten ist damit abgeschlossen. Im Vergleich mit
den Nachrichten zu anderen Kirchenbauten, z. B. Lorsch, ist
sie unverhältnismäßig arm, besonders zur Frühgeschichte. Sie
enthält keine alte Klosterchronik, keine alten Gottesdienst-
ordnungen, keine eigentlichen Baunachrichten, ganz wenige
Urkunden. Trotzdem gestattet sie, wie bei den einzelnen
Stücken gezeigt, eine Reihe von gesicherten und wertvollen
Schlüssen zur frühen Baugeschichte zu ziehen.
Die folgende Übersicht stellt sie nach der Zeitfolge unter An-

gabe der Quellennummer zusammen:
1. Im 8. Jahrhundert ist eine Kirche mit den drei Titeln der
Maria und der Apostelfürsten (1) vorhanden. Als oraturium
muß sie baulich bescheiden gewesen sein (2). Doch war sie zu
Ende des Jahrhunderts Grablege für den Schwager Karl d. Gr.,
Gerolt, der rechts im Chor bestattet wurde (4). Sie erhielt
Altarstiftungen Gerolts und des Abts Waldo (3, 5). Waldo hat
keine Kirche gebaut.
2. Durch Schenkungen der kaiserlichen Familie, besonders
das Vermächtnis Gerolts (KAR 68), wurde zu Beginn des 9. Jahr-
hunderts das Kloster in die Lage versetzt, größere und statt-
lichere Kirchenbauten zu errichten: Erster Bau: Abt Heito 816
(8). Der neue und der alte Bau waren gleichzeitig sichtbar (7).
Die neue Kirche hatte die drei Titel der alten (12). Heito stif-
tete einen Ziborienaltar (10). Petrus und Paulus besaßen ge-
trennte Altäre (13). Außerdem war ein Salvatoraltar (16) vor
der Vierung (32) vorhanden.
Zweiter Bau: Abt Erlebald (823—838) (11), nicht vor 825 ent-
standen (7). Der Bau war selbständig (7, 11) und als templum
bedeutend (n). Er war eine Laienkirche (24, 32). Altartitel
sind nicht genannt, dagegen war ein Kreuzaltar (32) vorhan-
den. Der Architekt war der Priester Einmuot. Ein Glasmacher
Matthäus wird genannt (21).
3. Mit der Übertragung der Valens-Markusreliquie (15) 830
beginnt die erste Welle der Reliquienerwerbungen für das
Münster. Von den verschiedenen Heiligen (12, 17) besaß
Januarius einen besonderen Altar in der Marienkirche (24).
4. Nach den Angaben der Miracula S. Marei (24) bestand zur
Zeit des Abts Ruodho (871—888) eine selbständige, aber mit
der Marienkirche verbundene Markusbasilika, die einen Mar-
kusaltar im besonderen Chor hatte. Sie besaß noch den Kreuz-
altar der Erlebaldzeit (32). Nach dem Rundgang des cap. 13 lag
die Marienkirche im Osten, die Markuskirche im Westen. Die
Trennung beider Kirchenteile war im Erlebaldbau schon vor-
handen. Mit der Markuskirche war eine Wallfahrt verbunden.
5. Kaiser Karl III. wird 888 im Ostchor auf der rechten (süd-
lichen) Seite begraben (22).
6. Die Heilig-Kreuz-Kapelle wird erbaut zwischen der Trans-
lation 925 (26) und 946 (27). Sie hatte Verbindung mit dem
Münster (45). Der Bau war rund (53).
7. Reformbestrebungen kluniazensischer Richtung im Kloster
seit Abt Alawich I (934—938) (29).
8. Münsterumbau des Abts Witigowo (985—997) begonnen
988. Nach dem Carmen Purchardi (32) schafft er aus dem ge-
teilten Münster der Miracula eine Einheitskirche im klunia-
zensischen Sinne durch Abbruch des Westteils (Markuskirche)
und Anfügen »gleicher Mauern« an die Marienkirche. Weihe
990. Im nächsten Jahr werden (an vorläufig unbekanntem
Ort) eine hochgelegene Michaelskapelle und vor der Kirchen-
tür ein Paradies erstellt. Die durch den Abbruch der Markus-
kirche heimatlos gewordene Markusreliquie wird in den um-
gebauten Kreuzaltar verbracht. Witigowo hat keine neuen
Altäre erbaut, die vorhandenen mit Ausnahme des Markus-
altars belassen und lediglich Altarausschmückung betrieben.
9. 1006 Klosterbrand (34).
10. Neubau der (zweiten) Markusbasilika durch Abt Berno
(1008—1048); Weihe 1048 in Gegenwart Kaiser Heinrichs III.
(35). Der Bau ist Ersatz und Wiedergutmachung für den Ab-
bruch der ersten Markusbasilika durch Witigowo. Abt Berno
ist mit dem Erbauer des Straßburger Münsters von 1015,

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