Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ecke in der nördlichen Friedhofsmauer die Westgrenze dieser
Kirche angibt. Auf diesen Unterlagen ist der Zustand von
1702 rekonstruiert [Abb. 278). Zu seiner Erläuterung ist zu
bemerken:
Das Gelände steigt nach Süden an und ist deutlich in vier
Teile geschieden, die durch ihre Höhenlage bestimmt sind.
Der niedrigste ist ein der Überflutung durch gewöhnliche
Hochwässer ausgesetzter Uferstreifen, der mit Schilf bestan-
den und von Abzugsgräben aus dem höher liegenden Gelände
durchzogen ist. In ihm liegt die »Herrenbruck«, ein mit dem
Aushub ihres Hafenbeckens aufgeschütteter Landedamm. In
der Nordwestecke ist noch der Beginn der kleinen Siedlung
«Weiler« zu sehen, die mit ihrer auf der Halbinsel »Bauern-
horn« gelegenen Ackerflur schon längst (Staiger) als Fronhof
der Klosterhörigen erkannt ist.
Der nächsthöhere zweite Teil ist das sanft ansteigende i. a.
vom Hochwasser nicht berührte Gelände bis zur Böschung des
Hochufers im Süden. Es ist Acker- und Gemüseland, aber
auch Baugelände des Klosters und enthält in seinem Nordteil
den in das Kloster aufgenommenen Pirminsbrunnen.
Erst mit dem Bau des Fuggerklosters greift der eigentliche
Klosterbezirk auf den dritten Geländeteil, die Böschung, über,
die sonst bis in späte Zeit dem Rebbau vorbehalten ist.
Der vierte Geländeteil gehört zu der Hochfläche, auf welcher
die Hauptsiedlung der Insel, Mittelzell, liegt. Er war außer-
halb dieser Siedlung bis in die Neuzeit ebenfalls mit Reben
bepflanzt und trug diejenigen Gebäude, durch die das Kloster
mit der Außenwelt in Verbindung trat, die Pfarrkirche
St. Johann mit ihrem Friedhof, die Abtpfalz und die Biblio-
thek. Der Bestand an Gebäuden zur Zeit des Gemarkungs-
plans von 1702 ist folgender:
Das Münster hat seine heutigen Grenzen, mit Ausnahme
der erst 1728 erbauten Neuen Sakristei.
Vom Alten Kloster war beim Abbruch durch Bischof Fugger
der Westflügel stehen geblieben, vom Nordflügel nur die
Kreuzgangwand als Gartenmauer. An die Nordostecke des
Klosters schließt sich ein größerer sonst unbekannter Bau
(Spital?) an, der auf dem Fuggerbild (Abb. 2) noch nicht vor-
handen ist.
Auf dem Gelände östlich des Alten Klosters liegen zwei
geometrische Gärten, davon der östliche mit Brunnenbecken.
Nördlich liegt das »Weyhergärttlein«47, dessen Weiher (für
Geflügel) durch den Ablauf des Pirminsbrunnens gespeist
Wird.
Im Westen des alten Klosters liegen die Reste des ehemaligen
Wirtschaftshofs des Klosters. Die auf dem Fuggerbild sicht-
bare Pfisterei mit dem großen Schornstein ist bereits ver-
schwunden. Das große Gebäude in der Nordwestecke des
Hofes ist die Kanzlei des Bischofs Fugger von 1616. An der
Nordwestecke der Einfriedigung bzw. des Weihergärtleins
lagen bis zum Jahr 1843 eine Kapelle oder wenigstens deren
Hmfassungswände, die der Münsterpfarrer De Petris ab-
brechen ließ48. Es kann aber nicht die Meinradskapelle ge-
wesen sein, wie De Petris meint, sondern war vermutlich die
Lorenzkapelle (s. Anm. 49).
Westlich des Wirtschaftshofs und des Münsters, außerhalb
her Klostermauer Fr. v. Wartenbergs, liegt ein weiter Platz,
die »Burg«, der an seinem westlichen Rand (auf dem Fugger-
G. L. a. Reichenau, Kirchenbaulichkeiten Fasz. 387.
G. L. A. Reichenau, Kirchenbaulichkeiten Fasz. 859.

bild auch am nördlichen49 mit Gebäuden besetzt ist. Es sind
die »Herrenhöfe«, d. h. die Wohnsitze der im späteren Mittel-
alter aus der Klausur ausgezogenen Chorherren. Sie sind
unter sich durch Mauern verbunden. Gegen die Pfalz zu läuft
aber nur ein Holzzaun.
Das Neue Kloster Bischof Fuggers, erbaut von 1605—1610,
kam beträchtlich höher zu liegen als das Münster und machte
trotzdem an dem Gelände im Süden hohe Futtermauern not-
wendig, um frei zu liegen. Uber seine Einteilung vor dem
Umbau des 19. Jahrhunderts sind wir unterrichtet durch F. X.
Staigers Beschreibung und Pläne des Zimmermanns Blum
von 1837 im GLA, auf die hier nicht weiter eingegangen
werden kann. Bedauerlich ist der Verlust der für den Bischof
bestimmten Räume im abgebrochenen Teil des Westflügels;
sein Portal mit den drei Figurennischen ist an anderer Stelle
noch teilweise erhalten.
Das Gelände südlich des Neuen Klosters zwischen den Schen-
kelmauern Fr. v. Wartenbergs und dem Friedhof war seit den
Tagen des Kardinals Andreas v. Österreich als Tierpark ein-
gerichtet (Abb. 2, 278).
An der Burgstraße, halb in den Friedhof eingebaut, liegt die
Bibliothek des Bischofs Fugger. Sie hatte ursprünglich in bei-
den Geschossen gegen das Kloster zu lange Fensterreihen und
an der Nordostecke einen Leseerker (s. Fuggerbild und Rand-
bild von 1702 Abb. 2, 4). Der Bau ist 1719 in seinem östlichen
Teil eingestürzt50 und nur in der eingeschränkten Form er-
neuert worden, die das Prozessionsbild von 1738 zeigt (Abb. 5).
Am Ostende des Friedhofs gegen die bürgerliche Siedlung zu
liegt die Pfarrkirche St. Johann mit ihrem Pfarrhof. Die durch
den Gemarkungsplan von 1702 und den Lageplan von 1823
bzw. die Gebäudeecke der Friedhofmauer bestimmten Maße
der Kirche sind vermutlich nicht mehr die des Gründungs-
baues (Abt Eggehard I. 958—972)51. Der Friedhof ist mit einer
Mauer umgeben, die spätestens von Fr. von Wartenberg mit
der Klostermauer angelegt ist. Der Pfarrhof bestand aus drei
Gebäuden, dem Pfarrhaus mit Anbau, dem Torkelgebäude
und dem Waschhaus. Das Torkelgebäude wurde nach dem
Verkauf im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts durch
einen Stallneubau ersetzt.
Die Burgstraße ist gegen das Hochufer durch das Markustor
abgeschlossen. Im Osten lehnte sich dieses an die Bibliothek,
im Westen an die Pelagiuskirche. Die Maße der letzteren
überliefert der oben genannte Plan der Pfalz von A. v. Ende.
49 Wahrscheinlich die curia combusta der Randnotiz des 18. Jahrh.
zu Gall öhem (Br. 28, Anm. 20), in deren Nähe die Lorenzkapelle
lag.
50 G. L. A. Nicht repertorisierte Akten Fasz. r. Schriftwechsel der
Bischöfl. Kanzlei Meersburg mit dem Obervogt Frhr. von und zu
Ratzenried bzw. dem Prior Maurus Hummel.
81 Die Kirche hat im Plan von 1702 sechs Arkaden, nicht sieben,
wie Gruber und Hecht angeben. Ob die neben dem Chor erschei-
nenden Räume als kluniazensische Chornebenkapellen zu erklä-
ren sind (Hecht), ist zweifelhaft. Das Kirchenschiff hatte nach dem
Bild des Malers Carl Kuntz von r8ro im Markgräflichen Palais in
Karlsruhe die Breite des (später angebauten) Turmes. Der letztere
hat, wie Hecht aus den Akten des Pfarrarchivs feststellte, etwa
8,3 m Breite, das Schiff also etwa 6,9 m Lichtweite, die Seitenschiffe
somit etwa 5 m Lichtweite. Dieses Verhältnis der Lichtweiten er-
scheint für einen Bau des ro. Jahrhunderts unglaubhaft. Auf dem
Fuggerbild hat das Seitenschiff Maßwerkfenster. Der Befund am
Mauerwerk mit Quaderecke aus Rorschacher Stein spricht gleich-
falls nicht für das 10. Jahrhundert.

25
 
Annotationen