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das Haus dürfte aus dem 15. oder 16. Jahrhundert stammen,
aber erst im 17. die Ausmauerung statt der ursprünglichen
Lehmfache erhalten haben. Beide Stücke stammen also aus
dem engeren Bezirk des Münsters. Ihr Zweck ist nicht ohne
weiteres ersichtlich, aber gleich. Der Form nach sind es Eck-
stücke eines Gesimsvorsprungs, der nach der einen Seite nur
wenig (etwa 4 cm), nach der andern Seite stark (etwa 15 cm)
auslädt. Da die Bruchstücke nur kurz sind, so ist nicht zu er-
kennen, ob es sich um durchgehende Gesimse oder um Teile
von Konsolen handelt. Das Hauptornament des ersten Stücks,
Weintrauben und Blätter, spricht für einen sakralen Zweck,
und zwar für die Verwendung an einem Altar. Bei einem sol-
chen war auch an der Vorderseite die größere Ausladung von
Vorteil wegen des ungehinderten Herantretens und wegen
der Schonung eines etwaigen kostbaren Antependiums. Die
Gesimse dürften nicht selbst als Mensa gedient, sondern eine
solche getragen haben und deshalb auch durchgehend gewesen
sein. Der Schmuck mit reichem Ornament, auch an der Unter-
seite, ist gerechtfertigt nicht nur durch die Stelle ihrer Ver-
wendung, sondern auch durch den Umstand, daß sie von dem
knienden Priester von unten her gesehen wurden (Abb. 312,
3i3)-
Die formale Gestaltung der beiden Stücke ist ziemlich ver-
schieden. Am Weinornamentstück läuft das steile, wenig ge-
rundete Profil der Seite in gleicher Form auch an der Vorder-
seite entlang; es trägt die Weinblätter. Die stärkere Ausladung
der Vorderseite ist durch einen waagrechten Vorsprung erzielt,
der mit den Weintrauben verziert ist. Das Profil ist oben und
unten mit einem gewundenen Taustab eingefaßt, der auch
am Profilgrat entlangläuft. Blätter und Trauben hängen senk-
recht bzw. waagrecht am Taustab. Das Relief ist überall flach
(bis zu 6 mm). Bei dem Rankenornamentstück geht an beiden
Seiten die Ausladung vom Fuß des Profils bis zum oberen
Rand ungebrochen durch. An der Seite ist es ein steiles, wenig
gerundetes Profil, vom eine freie, zuerst flach, dann stärker
aufschwingende Bogenlinie. Die Einfassung mit dem Taustab
ist nur oben sicher erkennbar,- am Grat ist er verrieben. Unten
an der Vorderseite ist er bestimmt nicht vorhanden, an der
Seite unsicher. Am Seitenprofil ist ein dreiteiliges Flechtband
erkennbar. Das bemerkenswerteste ist die ornamentale Be-
handlung des Profils an der Vorderseite. Dort ist ein Ranken-
zug eingemeißelt, bei dem die Hauptranke sich nach links in
zwei Zweige teilt, deren Enden zu Spiralen, die untere größer,

die obere kleiner, eingerollt sind. Die Hauptranke scheint von
einem Mittelstück auszugehen, von welchem zwei übereinan-
derliegende Spiralen, wieder in verschiedener Größe, teilweise
erhalten sind. Die Ranke besteht durchweg aus zwei runden
Strängen. Von den vollständig erhaltenen Spiralen links hat
die obere einen, die untere zwei Gänge. Die untere Spirale
entsendet unten nach rechts noch einen Blattlappen. Die Spal-
tungsstelle der Hauptranke ist mit einer Spange ausgezeichnet.
In den Zwischenraum zwischen den beiden oberen Spiralen
ist eine lotosartige Blüte eingesetzt. Das Relief ist hier ebenso
flach wie bei dem Weinornamentstück.
Eine weitergreifende kunstgeschichtliche Behandlung der bis-
her beschriebenen Ornamentstücke verbietet die Geringfügig-
keit des Bestands. Das durch das Gründungsjahr der Abtei,
724, nach oben begrenzte Alter der Funde und ihre Einzelhei-
ten weisen sie der auf der spätrömischen Provinzialkunst fu-
ßenden merowingischen und karolingischen Ornamentkunst
zu, welche von ihrem Vorbild die Einzelbestandteile seiner
Flächenkunst, Bandgeflecht, Tau, Blattfriese, Weintraube, Ro-
setten, Kreismuster und dergleichen übernommen hat165. An-
gesichts des Spiralrankenornaments, das nur aus der Kennt-
nis antik-griechischer Kunstwerke geschaffen sein kann, darf
man aber doch wohl wiederum Einflüsse der oströmischen
Kunst, vielleicht sogar durch Künstler aus Byzanz, vermuten.
Schließlich ist noch beachtenswert ein Gesimsbruchstück mit
Zahnschnitt aus weißlichem Sandstein (Abb. 259). Es wurde
in der Auffüllung des Westquerhauses gefunden. Seine Form
und die Steinart lassen es möglich erscheinen, daß das Stüde
noch in die karolingisdie Zeit gehört.
Die zahlreidien Teile und Bruchstücke von Säulchen mitWür-
felkapitälen und Schäften mit Anzug und Schwellung (im Un-
tergesdroß der Schatzkammer aufbewahrt) gehören offenbar
nicht zum Münster, sondern zum Klosterbau Diethelms
v. Krenkingen; Fundort war die obengenannte Stützmauer
südlich des Neuen Klosters.
165 Zusammenfassung für das Schweizer Gebiet bei Jos. Gantner,
Kunstgesdi. d. Schweiz S. 61 und 62 mit Literaturangaben. All-
gemeine Literatur: E. A. Stückelberg, Langobardische Pla-
stik, 1936. Graf Vitzthum, Malerei und Plastik d. M. A. in Italien,
1914. — Haseloff, Die vorromanische Plastik in Italien, 1930. Vgl.
auch zur Verbreitung: E. Schaffran, Eine langobardische Relief-
platte in Vorarlberg (Platte von Lauterach) in: Das Bild, Monats-
schrift für das Kunstschaffen in Vergangenheit und Gegenwart,
Karlsruhe 1938, Heft 2.

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