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433- eine sehr schöne Kirche des hl. Bartholomäus
434. und machte neben der Sakristei233 einen heilbringenden
Tempel
435. Dir, Erasmus, und zugleich Dir, Märtyrer Heraklius.
436. Diesen (Tempel) errichtete Herr Witigowo aus dem
Grunde,
437. daß in dem heiligen Haus der ganze hochglänzende Ort
438. eine Zufluchtsstätte sei, eine Hoffnung und ein sicheres
Heil den Bittflehenden,
439. damit Christus all ihren Sündenschmutz ab wasche,
440. mit dem Beistand der Verdienste der Heiligen,
441. durch deren Namen ein jedes Heiligtum erglänzt.
442. So steigt er (der Abt) aus dem achten Jahr blühend in
Tugend
443. ins neunte auf, das er begann mit dem Abschluß des
Ganzen,
444. indem er mit goldgefaßten Edelsteinen die einzelnen
Altäre schmückte.
445. Vor Deinem Altar, hochedle Jungfrau Maria,
446. glänzt einer am Fuß der Treppe von wunderbarer Zu-
rüstung,
447. durch ihn mit Edelsteinen und Gold bekleidet.
448. Und er ließ Tafeln aus getriebenem Silber machen,
449. mit denen er allseits das Gefüge der Seiten(wände)
umgab
450. das er dem Altar selbst umlegte in der Gestalt eines
Sarkophags234,
233 „Sacrarium = Kirchenschatzkammer, Sakristei" (Habel). Ver-
mutlich war sie noch dieselbe wie im Heitobau. In die Frage nadr
den in V. 43 r ff. genannten beiden Heiligtümern des Bartholomäus
und des Erasmus haben gerade die neueren Bearbeiter Verwirrung
gebracht. J. Hecht, in seinem Bestreben, unsichere Textstellen und
Bauzustände nach bekannten Beispielen zu erklären — ein Ver-
fahren, das gerade bei dem eigenwüchsigen Reichenauer Münster
versagt — hat sie, entgegen dem klaren Wortlaut des Carmen,
fälschlicherweise als Atriumskapellen nach Art des Schaffhauser
ersten Münsters von 1050—64 (Hecht a. a. O. Tafel T90) ange-
sprochen. Die Bartholomäuskirche lag „coram", also vor oder
gegenüber dem Paradies. Daß sie, wie O. Gruber annimmt, in dem
südlichsten der gegenüber dem Münster liegenden „Herrenhöfe"
verbaut ist, läßt sich aus dem Zustand dieses Bauwerks nicht er-
weisen,- an sich ist die Lage aber möglich. (Siehe dazu auch Anmer-
kung 37.) Die Erasmuskapelle Witigowos lag „neben der Sakri-
stei" im Klosterbereich, vielleicht sogar im Ostflügel des Klosters
eingebaut; das „in aedibus sacris" des Verses 437 ist jedenfalls mit
„Kloster" zu übersetzen. Ihre Bestimmung war nicht, wie Hecht
meint, die einer Asylkapelle für das Volk, sondern die einer Buß-
kapelle für die Mönche. Beyerle hat dies bereits richtig gesehen
(KAR S. 390). Die Frage der Erasmuskapelle ist dadurch schwierig,
weil außer der Kapelle Witigowos eine ältere Erasmuskapelle
zweifellos vorhanden war (KAR S. 391), und weil außerdem noch
bei einem anderen kirchlichen Gebäude, der Pelagiuskirche, der
Titel Erasmus vorkommt. Die vorwitigowonische Erasmuskapelle
war sicher ein Bau, der beim Umbau des Münsters durch Witi-
gowo beseitigt wurde. Sie muß also entweder unmittelbar an das
karolingische Münster angebaut gewesen sein oder gar in ihm ge-
legen haben. Witigowos Kapelle scheint schon früh abgegangen zu
sein und ihren Titel an die Pelagiuskapelle abgegeben zu haben.
234 „Lecti". Da an eine Bettform wohl kaum zu denken ist, wird
man eher auf die für Altäre gebräuchliche Sargform zu schließen
haben. Die Verse 448—50 sind wenig klar und jedenfalls sehr um-
ständlich im Ausdruck. Es ist offensichtlich noch von dem Altar
am Fuß der Treppe die Rede; sein Aufsatz war also mit Gold und
Edelsteinen, sein Stipes mit silbernen Tafeln ausgestattet. Er war
nach V. 452 ein Fronaltar und stammte deshalb aus dem Heito-
bau, wo er Laienaltar für das Langhaus war.

451. unser Mund nennt ihn alma confessio.
452. Ein Wasserkrug nahebei hinter diesem Altar des Herrn
(Fronaltar) stehend,
453. aus dem er (der Herr) den Wasserfluß zu Wein werden
hieß,
454. bringt den Bitten der Beter auch jetzt noch die Gaben
des Heils.
455. Dann wieder machte er freudig dem hl. Markus
456. und zugleich zu Ehren des hl. Kreuzes einen (einzigen)
Altar235,
457. die (Altar und Kreuz)236 er schön und vollständig be-
kleidete mit Feuervergoldung
458. und vielartig schmückte mit Edelsteinen und Spangen
(Beschläg).
Poeta
459. Da Du durch seine Sorgfalt aus dem Wust aufgerichtet
bist,
460. sage lieber, daß ihm noch die Zeiten eines langen Lebens
vergönnt sein mögen,
461. mit solchen Gebeten anrufend die Macht des Donners.
462. Denn so lange Dir die Freiheit, einen solchen Vater
zurückzuhalten,
463. besteht, herrschst Du immer in der Burg der Himmels-
königin (Reichenau);
464. Aber möge das nie geschehen! Wenn jener Fromme Dich
verlassen sollte,
465. wirst Du immer schimpflich bleiben, niedrig, wie eine
Stallmagd ist.
Augia
466. Wenn einer betrübt ist, der im Sinn ergriffen und ge-
packt ist,
467. so sucht er bei dem Tröster Ruhe für sich und findet sie;
468. so erhebe ich durch Deinen Trost, o Sohn, glaube es mir,
469. nachdem ich die Trauer abgelegt, die Freuden meines
Gemüts;
470. denn der versprochene Sinn Deiner Wahrheit stärkt
mich.
471. Solange mich die Regel (Weisung) des jetzt lebenden
Herrschers (Abts) regiert,
472. blühen inzwischen und stehen fest meine Rechte;
235 Die Stelle ist sprachlich schwierig und zugleich baugeschicht-
lich wichtig. Kein Zweifel kann sein, daß es sich um einen Ge-
meinschaftsaltar des Heiligen Kreuzes und der durch den neuen
Westzugang der Kirche obdachlos gewordenen Markusreliquie
handelt. Daß neben „et simul" noch „unum" steht, muß als
Pleonasmus gedeutet werden,- „unum" ist mit „einzig" zu über-
setzen. Das „fecit" bezieht sich nicht auf die Erbauung des Altars,
sondern gemäß dem Aufbau des Berichts und der Ankündigung
in Vers 443/4 auf die Ausschmückung des Altars, die in V. 457 und
458 näher beschrieben ist. Die Stelle ist also kein Hindernis, in
dem Gemeinschaftsaltar den schon vorhandenen Altar des Heili-
gen Kreuzes (Laienaltar) aus dem Erlebaldbau zu sehen, den 1t.
V. 4r7—27 Witigowo im zweiten Abschnitt des Münsterumbaues
(7. Regierungsjahr) auf einen Stufenunterbau gesetzt und mit
einem Antependium und dem grünen Spiegel versehen hat. Das
„iterum" bei hinc ist nur Füllwort.
238 Das „quae", das zu keinem anderen Wort im Satz grammati-
kalische Beziehung hat, läßt sich zwanglos aus der Annahme
erklären, daß hinter dem Kreuzaltar ein hohes Kreuz als selbstän-
diges Zeichen errichtet war, wie es z. B. im St. Galier Plan ein-
gezeichnet ist; Altar(aufsatz) und Kreuz waren gleichwertig und
wurden auch in gleicher Weise verziert.
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