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506. Nicht weit davon ist ein Haus, von königlicher339 Würde
funkelnd,
507. in den Einrichtungen und seiner Kunst höchst erhaben
ausgeführt,
508. da er es ja zu Ehren des Kaisers selbst erbaute.
509. Und nach Verlauf nicht vieler Tage hat er
510. (von) hier mit den Besten, die das liebliche Schwaben-
land hegt,
511. als Erster den König in das Gebiet239 240 von Latium geleitet,
512. indem er es, dem Rechte Jenes (des Königs) zulieb, mit
drohendem Schrecken zügelte.
513. Und er verstärkte241 reichlich die kaiserlichen
(515) Streitkräfte,
5t4. die dann die römischen Burgen kühn be-
(513) lagerten,
515. mit zahlreichen Kriegern, die er dorthin
(514) führte.
516. Da sagten die Italiener von plötzlichem Schreck erfaßt:
517. »Wer, glaubt Ihr, ist dieser Mann von solcher Tugend?
518. Diesem Szepterträger kann niemand widersprechen,
519. der solche Säulen von Menschen mit sich führt!«
520. Als sie das gesprochen, antworteten Andere:
521. »Diesen hat uns die Augia geschickt, die er lehrt und
regiert;
522. dieser goldene Abt wird zugleich der oberste Führer der
Schwaben sein.
523. Unser eigener Nutzen ist es, wenn wir ihm dienen!
524. Da übergaben die Häupter Roms sich und all das Ihre
525. und setzten bald dem König die Kaiserkrone auf;
526. Cäsar und Augustus wird er seitdem genannt.
527. Nachdem dies so vollbracht, kehrte der Hirt und Herr
528. zum Schoß der Gattin zurück, seine Glieder in Ruhe
erholend242.
529. Wer und wie bedeutend er (einst) sein wird, wird ge-
hörig seine Frömmigkeit beweisen243,
239 „Stemma" hier in übertragener Bedeutung. Das Haus ist die
Pfalz. Ein späterer Pfalzbau des Abts Diethelm v. Kastel, erneuert
durch Kardinal Marcus Sitticus v. Hohenems, an derselben Stelle,
erhielt sich bis ins 19. Jahrhundert. Siehe des Verfassers Aufsatz
über Burgen und Schlösser am Untersee im Sonderheft „Untersee"
des Landesvereins „Badische Heimat" 1925.
240 „Orbis" = Bezirk, Gebiet.
241 „Accumulans fuit" = „accumulavit".
242 Bis zu V. 528 ist der Nachtrag in der Vergangenheitsform ge-
halten.
243 Mit V. 529 tritt im Nachtrag die Gegenwartsform ein, die bis
V. 542 beibehalten wird. Der Sinn dieser Verse kann kaum anders

530. wenn Du sie kennenlernen willst, nun so trinke sie mit
den Ohren des Herzens.
531. Denn er lebt sittenrein, von doppelter Liebe entflammt
532. und im Herzen mit dem Siegel des Evangeliums ver-
sehen.
533. Ohne Furcht hegt die schneeweiße Taube die Schlange,
534. und die Bläße des Neids flieht ihn ganz und gar.
535. Zank haßt er stets und fordert die Stille des Schweigens,-
536. aber wie es eine aus vielen Beispielen wohlbekannte
Tatsache ist,
537. ist der Ruhm des Gerechten die Wut und der Zorn der
Bösen!
538. Daß er so geprüft wird, duldet Christi Erlaubnis,
539. mit widrigen, aber zum geringsten Teil schädlichen
Dingen.
540. Denn wenn er im Unglück etwas im Herzen Beschwer-
liches zu tragen hat,
541. so wappnet er sich mit Waffen, die die tapfere Geduld
gibt,
542. und ruft Gott an, der ihn alsbald erlöst.
543. öfter sah ich ihn in so großer Gefahr dahinschwanken,
544. daß der Feinde Schar mit spottender Stimme sang:
545. »Der Du kundig bist, freue Dich! Jener Elende ist schon
verloren
546. und er wird den Feinden zur Freude, eine bittere Trauer
den Freunden!«
547. Indessen aus willfährigem Herzen Gott anrufend,
548. ertrug er alles und machte es geduldig mit sich ab.
549. Nach einer Weile kam Gott und er wurde hinüber-
genommen;
550. da wurde ihm Ruhm zuteil, bald mußten die Aufsässi-
gen sich schämen.
551. Dieser ist einer aus der seligen Zahl der Leiden Er-
duldenden,
552. ihrer ist mit Gott das selige Himmelreich.
verstanden werden, als daß zur Zeit ihrer Niederschrift Witigowo
noch lebte, aber mit scharfer Gegnerschaft zu kämpfen hatte oder
bereits abgesetzt war,- höchstens könnten sie bei Gelegenheit des
Todes Witigowos geschrieben sein. Es ist überdies auffällig, daß
der Tod zweimal erwähnt ist: in Vers 542 und in Vers 549. Da der
Schlußteil von V. 543 an die Vergangenheitsform hat und seinem
Inhalt nach als ausgesprochener Nachruf aufzufassen ist, kann
vermutet werden, daß bei V. 543 ein weiterer zeitlicher Abschnitt
in der Abfassung des Carmen vorliegt. Der Nachtrag hätte damit
drei Teile: V. 495—528. Nachlese der Taten, V. 529-542. Verteidi-
gung des Abts, V. 543—552. Nekrolog.

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