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IV.

OSTRÖMISCHE RICHTUNG.

W;

ER Einfluß, den das oströmische Kunstgewerbe auf die Entwicklung des Keilschnittes und
der Fibelformen ausübte, darf jedoch neben dem Anteil der weströmischen Kunstindustrie
nicht übersehen werden; um so weniger, als er wesentlich verschiedene Bildungen hervor-

rief. Er scheint besonders stark in dem Augenblicke auf den Westen zu wirken, wo hier der Keil-

schnitt zum Schraffenschnitt verflacht.

Die zu dieser Gruppe gehörigen Objekte werden jetzt fast allgemein für Gotenarbeiten
gehalten, da sie namentlich auf der Halbinsel Kertsch gefunden wurden, wo die Goten vom
2. bis 4. Jahrhundert ansässig waren. Auf ihrem Zuge nach dem Westen sollen sie dann den West-
germanen diese Kultur vermittelt haben. Das klingt sehr verlockend, paßt aber leider nicht zu
den historischen Fakten. Viele dieser Objekte sind — wie wir gleich sehen werden — nicht
vor dem 6. Jahrhundert entstanden, stammen also aus einer Zeit, wo die Goten schon jene
Gegenden bis auf wenige Stämme verlassen hatten.
Bei den ältesten russischen Fibeln aus dünnem Silberblech, die glatte Formen bevorzugen,
wird mit Recht Entstehung aus der römischen Provinzialfibel angenommen. Daß sich dieser Typ
im Osten ausprägt, scheint gewiß, doch eine örtliche Fixierung ist zurzeit unmöglich; sicher waren
es nicht die Goten, die dies zuwege brachten. Alle germanischen Völker haßten glatte Flächen;
wo immer sie beginnen, sich künstlerisch zu betätigen, da überziehen sie die Flächen mit

Ornament.
Aber auch im Osten war diesem Stil keine lange Dauer beschieden; denn in Cherson ist
keine Fibel dieser Art mehr gefunden worden. Gleichzeitig mit den profilierten konstantinischen
sind sie nicht denkbar; andrerseits geben die in Ungarn gefundenen Stücke, die vor 500 fallen,

die obere Zeitgrenze.
Die wichtigsten Stadien der Entwicklung werden durch die Fundstücke aus Ungarn gut
repräsentiert. Die Agramer Zweirollenfibel (Fig. 4) ist ganz glatt und besitzt sieben Knöpfe
von gewöhnlichem Typ. Auch die aus Puszta-Bakod stammende Fibel im Budapester National-
museum (Taf. VII, 1) besitzt nur geringe plastische Zutaten neben der Form, die die Hauptsache
bleibt. Der Ansatz des Bügels ist hier durch Granaten in Filigranfassung hervorgehoben und
die drei Knöpfe nehmen Knospenformen an. Machte sich in der letztgenannten Fibel durch den
Granatschmuck der Zusammenhang mit den großen ungarischen Funden bereits leise fühlbar,
so erinnert der Schweinskopf, der in der Fibel aus Mezö-Kaszony (Fig. 5) an die Stelle des Knopfes
 
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