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X.

KETTLACHER EMAILS UND VERWANDTE SCHMUCKSACHEN.

je in der Literatur unter der Bezeichnung „Kettlacher Emails“ zusammengefaßte Gruppe
von emaillierten Scheibenfibeln und Ohrringen verdankt ihren Namen dem Funde von
Kettlach (unweit Gloggnitz im Semmeringgebiete, also an der steirischen Grenze), wo
1854 zum ersten Male eine größere Anzahl von ihnen zutage kam. Über die Aufdeckung des
Leichenfeldes hat A. v. Frank1 Bericht erstattet, in dessen Besitz die Gegenstände zunächst ver-
schwanden, so daß sie lange Zeit nur an der Hand der Abbildungen zu studieren waren2. Frank
datierte die Funde in die Zeit vor Christi Geburt, da er keinerlei römische Spuren an ihnen
entdecken konnte.
Näher der Wahrheit kam 1873 E. v. Sacken3, der diese Objekte „schon gegen die karolin-
gische Zeit zu“ entstanden wähnte; vor allem, weil ihm die Tierornamentik bereits Anklänge an
die der romanischen Zeit zu verraten schien. Das war in der Tat gut gesehen. Die Gegenstände
blieben dann wieder längere Zeit unbeachtet, bis Otto Tischler bei seinen Studien zur Geschichte
des Emails auf eine Fibel und einen Ohrring des Flaschberger Fundes (jetzt im Klagenfurter
Museum) stieß. Der Königsberger Gelehrte erkannte sogleich den Zusammenhang mit den Kett-
lacher Fundsachen und ihre eigentümliche, bisher für Email gehaltene bläuliche Patina, datierte
jedoch diese Emailgattung ins 5.—6. Jahrhundert. Dieser von ihm an mehreren Stellen4 vertretene
Irrtum hatte insofern sein Gutes, als er dazu beitrug, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf diese
Gegenstände zu lenken. Fischbachs Publikation des zweiten Krungler Fundes5 6 gab diesem Inter-
esse neue Nahrung. Die Folge war ein Aufsatz von Much8, der den Fibelcharakter der Scheiben,
die Tischler nur als Anhänger gelten lassen wollte, bewies, im übrigen aber in seinen weitschwei-
figen Auseinandersetzungen wenig Neues brachte und die Entstehung der behandelten Fund-
sachen, Sackens Datierung bespöttelnd, ohne ersichtlichen Grund ins 6.—7. Jahrhundert verlegte.
Ein Jahr später (1899) erschien dann der bereits oben mehrfach erwähnte Artikel von Reineke.7
Dieser Forscher hat die Entstehung dieser Gattung von Emailarbeiten in karolingischer Zeit end-
gültig festgelegt und gleichzeitig durch das aus dem Rheinlande beigebrachte Material die Auf-
fassung, daß es sich hier um innerösterreichische oder slawische Produkte handle, gründlich zerstört.


1 Im 12. Bande des Archivs für Kunde österreichischer Geschichtsquellen (1854), S. 239—243 mit 3 Tafeln.
- Die Funde wurden von den Töchtern Franks dem Museum der Stadt Wien vermacht.

3 Sitzungs-Berichte d. Wiener Akad., phil.-hist. Kl., Bd. 74(1873), S. 616—620.
4 Mitt. d. Wiener anthropolog. Gesellsch., Bd. XIX (1889), S. 164—167, Korrespondenzblatt der deutschen anthropolog. Gesellsch. 1889,
S. 196 ff., 1890, S. 18 ff.
’ Arch. Ert. 1897.

6 Mitt, der Zentr.-Komm. (Wien 1898), S. 125—42 mit Farbentafel.
7 Mitt. d. Wiener anthropolog. Gesellsch. 1899, S. 35—52 mit Lichtdrucktafel.
 
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