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V.

BYZANTINISCHER EINFLUSZ AUF DAS MEROWINGISCHE
KUNSTGEWERBE.


'IE monographische Behandlung der Fundsachen der einzelnen germanischen Völker-
schaften ist wohl eine der Hauptursachen, daß man den Wandlungen des Gesamtstiles,
. dem alle diese Objekte unterworfen sind, weniger Aufmerksamkeit schenkte und daher

der Frage, von wo die Anregungen hiezu ausgingen, bislang kaum nähergetreten ist.
Wenn wir jedoch darauf ausgehen, den allgemeinen Gang der Entwicklung des Kunst-
gewerbes im frühesten Mittelalter zu rekonstruieren und die stilbildenden Faktoren genauer
herauszuarbeiten, so besitzt die Frage, ob Alemannen, Bajuvaren, Burgunder oder Langobarden
Eigentümer der betreffenden Schmucksachen waren, nur eine untergeordnete Bedeutung; um so
mehr, als wir tatsächlich einer bedeutenden Reihe von Gegenständen jn genau den gleichen Exem-
plaren in Gräbern der genannten Volksstämme begegnen. Aus den Darlegungen der beiden voraus-
gehenden Kapitel geht eines bereits klar hervor: im 6. Jahrhundert läßt die schaffende Kraft des
weströmischen Kunstgewerbes zusehends nach, während der Einfluß der oströmischen Richtung in
stetem Wachsen begriffen ist; im weiteren Verlaufe des 7. Jahrhunderts herrscht er fast unbeschränkt.
Charakteristisch für diesen Stilwandel ist neben dem allmählichen Verschwinden der Fibeln
(die im Norden, der von dieser Entwicklung zunächst unberührt blieb, weiter fortbestehen) beson-
ders der Umstand, daß die weströmische Schnallenform mit rechteckiger Platte nur geringe Nach-
folge findet. Bevorzugt werden die oblongen Formen und die byzantinischen Schnallen mit Gegen-
beschlägen. Auch die Schnallen mit granuliertem Grunde und der kalottenförmige Umriß der
breiten schweren Typen mit großen Nagelköpfen gehen auf Anregungen vom Osten zurück.
Das gleiche gilt vom Ornament. Daß sich die klare Erkenntnis dieser Tatsache bisher nicht
durchgesetzt hat, ist wohl mit darin begründet, daß die überwiegende Mehrzahl der Objekte dem
späten 7. und dem Beginne des 8. Jahrhunderts angehören, also aus einer Zeit stammen, wo der
Ursprungsstil bereits stark verwischt ist. Anderseits ist eine Scheidung in frühe und späte Stücke
und der Versuch einer Entwicklung innerhalb des gesamten Materials bisher nicht unternommen
worden, sondern, wenn überhaupt, nur mit Rücksicht auf das jeweilige Einzelobjekt oder einen
Einzelfund.
Es handelt sich für uns daher in erster Linie darum, die frühesten Typen zu bestimmen und
ihren Kunstgeist klar zu erfassen. Dann können wir, von ihnen ausgehend, die Weiterentwicklung
leicht erkennen und neu hinzutretende Motive und Auffassungen unschwer als solche bezeichnen.
 
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