Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0021
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Numidische Zeit

17

Prähistorische Zeit: Zusammenfassung
In Anbetracht dieser frühen Zeitstellung, der ersten Hälfte des
2. Jts. v. Chr., wird die fehlende Sicherung der Grabstätten
verstehbar. Denn die Megalithgräber, wie sie aus Thugga und
zahlreichen anderen Orten Nordafrikas bekannt sind, kamen
hier frühestens um 1500—1400 v. Chr. auP6, sehr wahrschein-
lich aber erst seit der Etablierung der punischen Herrschaft im
8. Jh. v. Chr.27
Die Bestattungsform in angehockter Seitenlage ist seit prä-
historischer Zeit im Maghreb gut belegt28. Allerdings stam-
men diejenigen Bestattungen, bei denen bislang Cl4-Alters-
bestimmungen durchgeführt wurden, bereits aus dem frühen
und mittleren Neolithikum, also dem 5. und frühen 4. Jt. und
dann erst wieder aus der zweiten Hälfte des 1. Jts. v. Chr.29.
Unsere beiden Befunde gehören hingegen in die bislang kaum
bekannte Periode zwischen dem binnenländischen Capsien-
Neolithikum, welches um 3000 v. Chr. endete, und der im
frühen l.Jt. v. Chr. einsetzenden phönikischen Kolonisation
im Maghreb. Sie sind somit auch über Thugga hinaus von be-
trächtlichem Interesse und werden sich vielleicht irgendwann
mit vergleichbaren Befunden andernorts korrelieren lassen.
Bei unseren beiden Skeletten handelt es sich um die bei Wei-
tem frühesten Zeugnisse menschlicher Aktivitäten an der Stelle
des späteren Thugga. Der Umstand, dass wir genau an jenen bei-
den Stellen, an denen wir die tiefsten Schichten sondierten, auf
Bestattungen trafen, deutet auf einen größeren Begräbnisplatz in
diesem Gebiet. Auf eine gewisse Frequentierung des Ortes deu-
tet auch die große Zahl an Schneckengehäusen in den betreffen-
den Schichten 247, 76 und 373: Diese erinnern an die umfäng-
lichen Schneckenhaufen, sog. Escargotieres, die, als Speiseabfall,
an zahlreichen prähistorischen Fundplätzen im Maghreb zutage
kamen und die Bedeutung von Landschnecken als Nahrungs-
mittel namentlich auch für das Capsien-Neolitikum bezeugen30.
In Anbetracht der frühen Zeitstellung, mehrere Jahrhunder-
te vor dem Einsetzen der Siedlungstätigkeit der Phönizier an
der nordafrikanischen Küste, ist kaum anzunehmen, dass es an
der Stelle der späteren Stadt bereits dauerhafte Siedlungsstruk-
turen gab. Doch die beiden Bestattungen liefern einen ersten
Beweis dafür, dass das flache und wettergeschützte Gelände am
Fuße des Thuggenser Stadtberges schon in prähistorischer Zeit
wenigstens zeitweise, wohl von lokalen Nomaden, aufgesucht
und zumindest für Bestattungen genutzt wurde: eineinhalb
Jahrtausende vor den frühesten bislang bekannten Hinweisen
auf die Existenz einer Siedlung an der Stelle Thuggas.
26 s. Camps 1961, 139-152, 573-605 (umfängliche Bibliographie); Camps
1974, 343-345; Kuper - Gabriel 1979, 41. - Die Frühdacierung in das mittlere
2. Jt. ist indes, worauf Lund 1988, 46 £ verwiesen hat, hypothetisch, da die da-
tierbaren Funde aus den zahlreichen megalithischen Gräbern in Thugga, Elles,
Maktar und anderen Orten im tunesischen Hinterland erst aus dem 3. und 2. Jh.
v. Chr. stammen; vgl. auch Camps 1995a, 17—30 bes. 28—30. - Zu den Dolmen-
Gräbern von Thugga: Gragueb u. a. 1987, 56—62 mit Abb. (und weiterer Lit.).
27 Hierzu s. jetzt Krauß 2009 (diesen Hinweis verdanke ich Ph. v. Rummel).
28 Camps 1961, 466—477 (mit weiterer Lit.). — Zu entsprechenden, anhand
der Beigaben in hellenistische Zeit datierbaren Bestattungen etwa in den Ne-
kropolen von Thigibba Bure (Djebba) und Jijel s. Krandel-Ben Younes 2002,
112-118 bes. 115 £ (mit weiterer Lit.).
29 s. etwa den ins 5-Jt. v. Chr. datierenden, kollektiven Bestattungsplatz
von Doukanet el Khoutifa (Governorat Siliana): Zoughlami u. a. 1998, 10-20
mit Abb. (und weiterer Lit.). - Zu weiteren Cl4-Datierungen s. Camps 1974,
158-162; Nehren 1992, 182-201. - Zur Urgeschichte des Maghreb und zu
deren Periodisierung: Camps 1995b, passim (mit weiterer Lit.).
30 Kuper - Gabriel 1979, 30 £; Nehren 1992, 197-201 (mit Verweis auf
einzelne Fundplätze).

2. NUMIDISCHE ZEIT
Stefan Ritter

Eine dauerhafte Siedlungstätigkeit setzte in dem von uns un-
tersuchten Bereich erst in hellenistischer Zeit ein (Taf. 42).
Zwar fanden sich weder für diese noch für die nachfolgenden
Epochen Brandhorizonte oder andere Hinweise auf plötzliche,
durch Katastrophen hervorgerufene Zerstörungen. Stattdessen
trafen wir aber etliche großflächige, beim Abriss und Neubau
von Gebäuden entstandene Planierschichten und Laufhorizon-
te an, die eine Scheidung verschiedener Bauphasen erlaubten
und genügend datierbares Material für deren zeitliche Fixie-
rung enthielten.
Vorrömische Siedlungsstrukturen kamen bislang an zwei
Stellen zutage: im südlichen Annex der Maison du Trifolium
und, in deutlich größerer Ausdehnung, in unserem westlichen
Grabungsareal.
Der Kellerraum unter dem Annex
der Maison du Trifolium
Im Westen des in der Kaiserzeit errichteten südlichen Annex-
Baues der Maison du Trifolium war unter den Räumen H und
I bereits während des Freiburger Vorgängerprojektes im Jahre
2000 der Kellerraum eines älteren, vor der Errichtung der Mai-
son du Trifolium existierenden Gebäudes teilweise freigelegt
worden31, den wir einer stratigraphischen Nachuntersuchung
unterzogen.
Von diesem Raum wurden lediglich die bis zu einer Höhe
von 60 cm erhaltenen Fundamentmauern im Westen, Norden
und Osten ergraben (Taf. 1, 1; 9, 1. 2 Beil. 1); wie weit sich der
Raum nach Süden erstreckte, ließ sich nicht feststellen, da dieser
Bereich unter dem gut erhaltenen Pflaster der kaiserzeitlichen
Straße 7 liegt. Die westliche Mauer 146 ist, anders als die nur ca.
60 cm breiten Mauern 127 und 148 im Norden und Osten, ca.
75 cm breit, sodass sie offenbar die Außenmauer des Gebäudes
war; allerdings ist aufgrund der späteren Überbauung unklar, in
welcher Weise sich weitere Räume anschlossen. In den unters-
ten, bei der Zerstörung des Raumes abgelagerten Verfüllschich-
ten 128 und 140 fanden sich zahlreiche Fragmente von luftge-
trockneten Lehmziegeln sowie Mörtelreste; dies deutet darauf,
dass das aufgehende Mauerwerk aus Lehmziegeln bestand"2.
Der Raum war ca. 3 m breit und in Nord-Süd-Richtung
mindestens 3 m lang. Er war über eine in der Nordost-Ecke
herabführende, vierstufige Treppe 149 zugänglich, in deren
oberster Stufe die Pfanne für die Angel einer einflügligen, nach
innen zu öffnenden Tür erhalten war. Die Treppenstufen waren
sehr abgelaufen. Der ungleichmäßige Boden des Raumes be-
stand aus einfachem Stampflehm 129, dazu einigen gesetzten
Bruchsteinen 138=13733.
Hinweise auf die Nutzung des Raumes ergeben sich aus dem
Umstand, dass die untersten Verfüllschichten 128 und 140,
die sich nach der Zerstörung des Raumes unmittelbar auf dem
Boden 129 ablagerten (Taf. 1, 1; 9, 2), eine auffallend hohe
31 Hiesel - Strocka 2002, 76-81 mit Abb. 1. 2 Taf. 8 a. c. d.
32 Hierzu s. Kap. III. 3. 1.
33 H des Bodens: 509,85-510,01 m ü. LHN.
 
Annotationen