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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0027
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Numidische Zeit

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dern (Kat. I 7; s. a. zu Kat. I 2, 3-5, 7, 8)78 sowie tiefe Schalen/
Schüsseln mit unterschiedlich ausgeprägter Rundung (Kat. I
24; s. a. zu Kat. I 15-16, 17, 23-24)79. In größerer Zahl vertre-
ten sind lediglich steilwandige Töpfe mit einfachem Rand (s.
zu Kat. I 38-39)80. Es handelt sich um langlebige, über Jahr-
hunderte beibehaltene Formen, die andernorts in Tunesien,
namentlich in Karthago, z. T. bereits sehr viel früher nachge-
wiesen sind.
Sodann fand sich in dem Lehmboden 155= 157 des Hofes eines
der wenigen figürlichen Artefakte: ein kleiner, mitsamt Hals
erhaltener Kopf aus Terrakotta, der offenbar als Applike diente
(Kat. P 4 Abb. 71). Der fragmentierte Kopf zeigt eine männ-
liche Figur mit Vollbart und langem, von Stirn und Schläfen
weggestrichenem Haupthaar. Er stellt wohl eine Vatergottheit
dar, die mangels distinktiver Merkmale allerdings nicht iden-
tifizierbar ist81.
Unter den Kleinfunden befand sich ferner, aus der Auffüll-
schicht 215 stammend, eine beinerne Nadel (Kat. O 53), de-
ren genaue Funktion nicht sicher bestimmbar ist und die als
Haarnadel oder als Schließe gedient haben könnte82.
In den vorrömischen Befunden kamen schließlich auch
zahlreiche Tierknochen zutage, aus denen sich Hinweise auf
Ernährungsgewohnheiten gewinnen lassen. In den beiden ex-
emplarisch untersuchten Bef. 125 sowie 140 (im Annex der
Maison du Trifolium) ließen sich insbesondere Knochen von
Rind, Schaf/Ziege und Schwein bestimmen, wobei der ver-
gleichsweise hohe Anteil des Rindes gegenüber den anderen
Nutztierarten seine Entsprechung in anderen vorrömischen
Befunden in Nordafrika findet83.

Numidische Zeit: Zusammenfassung
In dem Zeitraum zwischen dem mittleren 2. und dem mittle-
ren 1. Jh. v. Chr. wurde in dem von uns untersuchten Bereich
ein mittelgroßes Hofhaus errichtet (Taf. 42).
Dieses Haus bestand aus einem Hof, der, wie die Feuerstel-
len zeigen, zu Wirtschaftszwecken genutzt wurde, und einem
angrenzenden Deinen, langgestreckten Raum mit mindestens
zwei Nebenräumen, die über dezentral gelegene Eingänge zu-
gänglich waren. In diesen Merkmalen entspricht das Gebäude
ganz den Gepflogenheiten im punischen Häuserbau, wie sie
am anschaulichsten in Kerkouan zu studieren sind84. Zwar ist
einstweilen noch unbekannt, wie weit sich der Hof und der
Raumtrakt nach Westen und Süden erstreckten und wo sich der
äußere Zugang zum Hof befand. Deutlich ist aber immerhin,
dass es sich nicht um ein gehobenes Wohnhaus handelt, wie
sie, mit Peristylhöfen und aufwendigen Fußböden ausgestattet,

78 Die betreffenden Stücke kommen aus den Bef. 215, 324, 326 und 328.
79 Die Fragmente stammen aus den Bef. 129, 140, 216 und 328.
80 Diese Randstücke kommen aus den Bef. 140, 215, 312, 323, 326 und
328.
81 Hierzu s. Kap. IV. 4. 1.
82 Ebenda.
83 Hierzu s. Kap. IV. 5.
84 Hierzu s. Fantar 1985, passim.

etwa aus dem spätpunischen Karthago bekannt sind85. Dieses
Haus ist ein schlichter, mit einfachen Lehmböden und einem
Wirtschaftshof ausgestatteter Bau, der sich im Grundriß, in
der Verteilung der Funktionsbereiche und in Bautechnik und
Ausstattung mittelgroßen Häusern im punischen Kerkouan
zur Seite stellen lässt.
Die schlichte bauliche Gestaltung und Ausstattung dieses
Hauses findet ihre Entsprechung darin, dass sich unter den
zahlreichen Funden aus den vorrömischen Siedlungsschich-
ten kaum Importkeramik befand. Die Zusammensetzung des
Fundmaterials zeugt von einem bescheidenen Lebensstandard,
dessen materielle Überreste sich in Thugga nun, wenn auch
einstweilen nur sehr ausschnitthaft, erstmals in ihrer Vielfalt
und in ihrem Zusammenspiel fassen lassen.
Die Errichtung dieses Hauses fällt in eine Periode der Stadt-
geschichte, in der Thugga eine Blütezeit erlebte. Das numi-
dische Königreich unter Massinissa, in dessen Machtbereich
Thugga damals gelangte, pflegte, wie die Quellen belegen,
intensive Fernhandelsbeziehungen, insbesondere mit dem Rö-
mischen Reich; Numidien belieferte Italien in großem Um-
fang mit Getreide und importierte im Gegenzug Luxusgüter
wie Wein und Tafelgeschirr86. Von diesem wirtschaftlichen
Boom profitierte auch das im Hinterland gelegene Thugga,
das sich im 2. Jh. v. Chr. zu einem bedeutenderen städtischen
Zentrum entwickelte. Bauliche Zeugnisse des Reichtums der
städtischen Eliten sind zwar nur punktuell, aber sehr imposant
fassbar: oben auf dem Stadtberg, in der Nordwest-Nekropole,
in den Resten zweier stattlicher Türme87, vor allem aber in der
Süd-Nekropole, am Fuße des Stadtberges, in dem monumen-
talen, im 2. Jh. v. Chr. errichteten sog. Ataban-Mausoleum88
(Abb. 1).
Die Befunde und Funde aus unserem Hofhaus bezeugen,
dass das flache Gelände am Fuße des Thuggenser Stadtberges
bereits im 2./1. Jh. v. Chr. zum Siedlungsbereich der Stadt ge-
hörte. Dabei könnte der Umstand, dass sich bei unseren Gra-
bungen keinerlei Hinweise auf frühere Siedlungsaktivitäten
fanden, darauf deuten, dass sich das Siedlungsgebiet Tfiuggas
erst ab dem 2. Jh. v. Chr., vom Stadtzentrum aus hangabwärts,
in Richtung der durch das Ataban-Mausoleum markierten
Süd-Nekropole ausdehnte (Abb. 3). Auch der Umstand, dass
der Bereich östlich des Hofhauses vorerst unbebaut blieb,
könnte ein Indiz dafür sein, dass dieses Gebiet damals erst all-
mählich in die städtische Infrastruktur einbezogen wurde.

85 Zu den Häusern auf dem Byrsa-Hügel s. Lancel 1995, 148—172 mit Abb.
und Bibliographie.
86 Hierzu s. R.-Alföldi 1979, 55 f. (mit weiterer Lit.); Slim 2001, 82 f. — Zu
den schriftlichen und epigraphischen Quellen für die Außenbeziehungen des
Numiderreiches: Saint-Amans 2004, 49—54.
87 Zu den beiden Türmen s. Kap. I.
88 Guter Überblick über die vorrömischen Bauten und Monumente Thug-
gas, jeweils mit weiterführender Lit.: Saint-Amans 2004, 35-54 bes. 38-49.
 
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