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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0340
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Untersuchungen zu den Tierknochen

305

Nutztierarten Rind, Schaf, Ziege und Schwein
Die Verteilung der Nutztierarten Rind, Schaf, Ziege und
Schwein über das Skelett zeigt bei den Fragmentzahlen und
dem Gewicht keinerlei Auffälligkeiten (Tab. 3. 4). Ein Fehlen
einzelner Knochen oder Skelettpartien kann nicht ausgemacht
werden, was allerdings bei normalem Siedlungsmaterial auch
kaum zu erwarten wäre. Ähnliches kann an anderen Plätzen in
ähnlicher Verteilung beobachtet werden947. Um den Charakter
dieses Knochenmaterials - die Frage stellt sich nach dem Über-
wiegen von Schlacht- oder Speiseabfällen - näher eingrenzen
zu können, bedarf es der Zusammenfassung und Beurteilung
nach Körperregionen, die aufgrund ihres Fleischanteils eher
als Schlacht- oder Speiseabfall anzusprechen sind (Tab. 5).
Allgemein scheinen hier die Knochen des Rumpfes (Wirbel,
Rippen) bei allen betrachteten Tierarten unterrepräsentiert zu
sein, was bei vielen Fundkomplexen zu beobachten ist, da diese
Knochen besonders fragil sind und meist durch die Bodenla-
gerung stärker zerkleinert und zerstört werden als die kompak-
teren Extremitätenknochen. Verstärkt vorhanden sind dagegen
wohl vor allem die Knochen des Stylopodium (Schulterblatt,
Oberarm, Becken, Oberschenkel) und des Zygopodium (Elle,
Speiche, Schien-, Wadenbein), während sich die Schädelkno-
chen und die Knochen des Autopodiums (Hand- und Fußkno-
chen) zwischen den einzelnen Tierarten variieren. Diese Antei-
le können jedoch nur einen ersten Eindruck von der Verteilung
von Schlacht- und Speiseabfällen geben. Um die realen Ver-
hältnisse beurteilen zu können, muss der Unterschied zu einer
Normalverteilung betrachtet werden, wie sie in den Gewichts-
anteilen bei einem vollständigen Skelett vorhanden ist. Hierzu
greift man auf vollständig gewogene Skelette zurück, die für
die Haustierarten Rind, Schaf und Schwein vorliegen948, be-
stimmt hier den Anteil der Körperpartien und erhält so die
normale Gewichtsverteilung über das Skelett. Diese dividiert
man von den am vorliegenden Material bestimmten Anteilen
der jeweiligen Körperregionen. Um die Verteilung der nur all-
gemein als Schaf/Ziege bestimmten Knochen mitbeurteilen
zu können, wurden Schaf-, Ziegen- und Schaf/Ziegen-Kno-
chen zusammengefasst unter der Prämisse, dass die ähnliche
Wuchsform auch ein ähnliches Verhältnis der Körperpartien
zueinander beinhaltet. Bei der graphischen Darstellung der Er-
gebnisse (Diagr. 1) zeigt sich deutlich das bereits beobachtete
Missverhältnis bei den Rumpfteilen. Auffällig ist ebenfalls für
alle drei Tierarten der erhöhte Anteil bei den Stylopodien und
Zygopodien, der für eine erhöhte Menge an fleischführenden
Partien und damit an Speiseabfällen spricht. Bei den Schlacht-
abfällen fallen Abweichungen vom Normanteil vor allem beim
Schädel von Schaf und Ziege und bei den Autopodien des Rin-
des auf. Unterrepräsentiert sind die Schädelteile des Schweins.
Das Material zeigt im Allgemeinen aber eine Vermischung von
Schlacht- und Speiseabfällen an, was für die Schlachtung und
Zerlegung der Tiere im unmittelbaren Umfeld des Grabungs-
areals und für die Entsorgung der Speiseabfälle im gleichen
Bereich spricht, wenn man nicht von einer großräumigen Ver-
lagerung von Abfall innerhalb der Stadt ausgehen will.
947 Nobis 1999, 577.
948 Reichstein 1994, 27 Tab. 10.

Die Nutzung der Tiere bzw. die Qualität der Ernährung
lässt sich am besten an der Altersverteilung bei den Nutztie-
ren ablesen (Tab. 6). Die Schlachtung von Jungtieren nimmt
diese Individuen aus einer möglichen weiteren Nutzung, wie
sie für die Rinder in der Arbeitskraft und für die Schafe in
der Wollproduktion gesehen werden kann. Außerdem ist bei
diesen Tierarten wie auch bei der Ziege mit der Nutzung zur
Milchproduktion zu rechnen. Lediglich die Schweinezucht
dient allein der Fleischgewinnung. Dies spiegelt sich auch im
Anteil der Jungtiere an den Schweineknochen wieder, der mit
30,0 % deutlich über denen der anderen Nutztierarten liegt.
Die Altersverteilung variiert anhand der Zahnbefunde von
unter vier Monate alten Jungtieren bis hin zum Alttier. Die
Anwesenheit dieser beiden Altersextreme legt die Annahme
nahe, dass im Umfeld des Grabungsareals Schweine gehalten
und gezüchtet wurden. Bei den kleinen Hauswiederkäuern En-
det sich ein Jungtieranteil von 10,5 bis 20,9 %, was sich nicht
ganz mit der Altersverteilung bei den Zähnen von Schaf/Ziege
deckt, wo der Anteil der Jungtiere mit acht zu drei Nachweisen
überwiegt. Da sehr alte Tiere vollständig fehlen, bleibt die Fra-
ge nach der Wollnutzung für die Schafe ungeklärt. Das Rind
weist mit 11,8 % einen ebenfalls geringen Anteil an Jungtier-
knochen auf, jedoch lassen sich nur drei Jungtiere in den Al-
tersbereich von drei Monaten bis einem Jahr einordnen, wäh-
rend Alttiere anhand der Zahnbefunde nicht sicher zu belegen
sind. Im Zusammenhang mit der hohen Fragmentzahl der
kleinen Hauswiederkäuer und der Schweine, der relativ hohen
Zahl der Jungtiere bei den Schweinen und dem geringen An-
teil der Rinderknochen am Gesamtbestand und der wenigen
Jungtiere dieser Haustierart kann die Fleischwertigkeit dieses
Fundkomplexes als relativ hoch angesehen werden. Die Alters-
verteilung dieser Nutztierarten ähnelt derjenigen in Karthago
ausgegrabener Knochen949, was auf eine typische Altersvertei-
lung im städtischen Umfeld in römischer Zeit schließen lässt.
Die Ähnlichkeit zwischen diesen beiden städtischen Komple-
xen legt weiterhin die Überlegung nahe, dass die im Siedlungs-
areal geschlachteten Tiere größtenteils nicht vor Ort gezüchtet
wurden, da die für die Zucht notwendigen Alttiere nicht im
Material nachgewiesen werden konnten. Die wirtschaftliche
Grundlage der Bewohner wird auch kaum im landwirtschaftli-
chen Bereich zu suchen sein. Möglich ist allerdings für das Gra-
bungsareal in Thugga die Haltung und Aufzucht von einzelnen
Nutztieren, da neben den oben bereits beschriebenen Jungtie-
ren das Überwiegen von sechs weiblichen zu vier männlichen
Ziegen bzw. fünf weiblichen zu vier nicht näher zuweisbaren
kleinen Hauswiederkäuern hier für eine Milchproduktion für
den Hausgebrauch sprechen könnte. Das Fehlen der Alttiere
im Zahnspektrum der Rinder spricht für ein Einbringen die-
ser Tiere als portionierte Fleischstücke, bei denen die weniger
fleischführenden Teile schon abgetrennt waren.
Mit der bereits erwähnten gebotenen Vorsicht mag hier noch
eine Aufschlüsselung und Betrachtung der Nutztierarten für
die frühen Zeitperioden versucht werden, um im Vergleich mit
anderen Fundkomplexen nach gleichgelagerten Tendenzen zu
suchen. Hierbei scheint zum Vergleich vor allem das Verhältnis
zwischen Rind und Schwein interessant, da sich an anderen
949 Nobis 1999, 610 f.
 
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