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Ritter, Stefan; Rummel, Philipp; Becker, Thomas; Ganschow, Thomas; Godbillon, Isabelle; Großmann, Sonja; Herb, Christiane; Kalogeroudi, Eleni; Meyr, Martina
Archäologische Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte von Thugga: die Ausgrabungen südlich der Maison du Trifolium 2001-2003 — Thvgga, Band 3: Wiesbaden, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.42449#0342
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Untersuchungen zu den Tierknochen

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des Bruches - es konnte ein normaler Verheilungsprozess mit
sauberer Callusbildung beobachtet werden — spricht für eine
Verheilung ohne Beeinträchtigungen für das Tier. Da sich
Frakturen an Hundeknochen gehäufter im antiken städtischen
Umfeld Enden lassen, liegt die Vermutung eines unsanften
Umgangs mit den Tieren in diesem Bereich nahe. Die arth-
ritische Veränderung an der Phalanx 3 eines Rindes stellt eine
typische arbeitsbedingte Abnutzungserscheinung am Knochen
dar. Solche Veränderungen, die bei weiterer Entwicklung zur
Lahmheit der Tiere führen können, werden mit erhöhter Ar-
beits- oder Fehlbelastung der Tiere erklärt954. Am Oberkiefer
eines Schweins konnte der entzündungsbedingte Ausfall des
ersten Molaren diagnostiziert werden. Diese Zahnpathologie
tritt meist altersbedingt durch die starke Abnutzung gehäuft
bei diesem Zahn auf, der als erster des bleibenden Gebisses in
die Nutzung tritt. Der vorliegende Oberkiefer gehört allerdings
zu einem Tier, das im Alter von ca. drei Jahren verstarb bzw. ge-
schlachtet wurde, sodass eine andere Ursache für die Extrakti-
on des Zahnes zu suchen ist, die sich anhand des vorliegenden
Befundes aber nicht mehr ermitteln lässt. Das Spektrum der
aufgeführten pathologischen Veränderungen passt gut zu den
von anderen Plätzen bekannten, wobei zu bedenken ist, dass es
sich meist um minderschwere Krankheitsbilder handelt. Gera-
de bei den Nutztierarten ist bei einer schwereren Erkrankung
der Tiere mit einer Schlachtung und möglicherweise auch Ent-
sorgung zu rechnen, da die Kosten für die Behandlung und
Pflege meist ihren Wert bei Weitem überstieg. Folglich finden
sich solche Krankheitsbilder, wie beispielsweise schwere Frak-
turen mit Heilungsspuren, meist nur bei Pferden oder Hun-
den, bei denen neben dem finanziellen auch ein persönliches
Interesse für die Pflege der Tiere sprechen konnte955.
Taphonomischen Veränderungen
An 36 Knochen des Tierknochenmaterials konnten Spuren der
Schlachtung und Zerlegung nachgewiesen werden. Sie vertei-
len sich auf 31 Hieb- und 3 Schnittspuren, wobei das große
Defizit der Schnittspuren durch den Verlust einiger leichter
Schnitte aufgrund des zum Teil hohen Anteils an Oberflächen-
verwitterung (Tab. 1) erklärbar ist. Die Hieb- und Schnittspu-
ren konzentrieren sich auf die vier Nutztierrassen Rind, Schaf,
Ziege und Schwein und finden sich verstärkt an den stark
fleischführenden Partien des Rumpfes, der Stylopodien und
Zygopodien (31). Diese stehen in direktem Zusammenhang
mit der Zerlegung und Portionierung des Fleisches. Die übri-
gen sind am Schädel (3) und den Autopodien (2) lokalisiert.
Hier ist vor allem bei den beiden abgeschlagenen Ziegenhör-
nern auch eine Nutzung des Horns zur handwerklichen Wei-
terverarbeitung möglich. Die Positionierung der Zerteilungs-
stellen passt sehr gut in das an anderem Material beobachtete
Muster956.

954 von den Driesch 1975, 413-425.
955 Becker 2002b.
956 Lauwerier 1988, Anhang.

Mit taphonomischen Veränderungen bezeichnet man all-
gemein die durch Einwirkungen von außen - anthropogener
wie auch biologisch-geologischer Natur — verursachten Ver-
änderungen am Knochen. Am Material aus Thugga konnten
verschiedene dieser Veränderungen beobachtet werden, von
denen die Verwitterungsspuren schon eingangs besprochen
wurden. Eine weitere Veränderung sind die am Knochen zu
beobachtenden Verbissspuren, die durch das Nagen und Kau-
en vor allem von Hunden und auch Schweinen verursacht
werden. An 39 der untersuchten Knochen ließen sich solche
Spuren beobachten (Tab. 7). Bei der Verteilung über die Kör-
perregionen fällt auf, dass sich mit 25 Knochen zwei Drittel
der Nachweise auf die stark fleischführenden Partien konzen-
trieren. Hieraus ist abzuleiten, dass die Tiere vor allem Speise-
abfälle zum Verzehr vorgeworfen bekamen.
19 Knochenfragmente weisen Verbrennungsspuren auf, die
von leichter Verbrennung bis hin zu vollständiger Kalzinie-
rung reichen. Die Temperatur für diese Prozesse reicht von
200 bis über 800oC9’7. An einigen Knochenfragmenten lässt
sich aufgrund unvollständiger Verbrennung erkennen, dass
diese wohl noch mit Fleisch besetzt dem Feuer ausgesetzt wa-
ren. Acht Fragmente konzentrieren sich auf den Fundkomplex
215 aus dem 2./1. Jh. v. Chr., weitere acht auf Fundkomplexe
(46, 103, 134, 136) aus der Zeit zwischen dem mittleren 1.
und dem frühen 2. Jh. n. Chr., während die übrigen drei aus
verschiedenen anderen Zeiten stammen. Möglicherweise hän-
gen die Häufungen in der Frühzeit damit zusammen, dass das
Hofareal bis in flavisch-trajanische Zeit, danach aber offenbar
nicht mehr für Wirtschaftszwecke genutzt wurde9’8.
Auf den Knochenoberflächen spiegeln sich auch Spuren wi-
der, die durch Lagerung in bestimmten Bodenschichten ent-
stehen. Hierzu gehört der sogenannte Wurzelfraß, der wäh-
rend der oberflächennahen Lagerung als partieller Abbau der
Knochensubstanz durch Pflanzenwurzeln entsteht. Auf dem
Knochen finden sich dadurch charakteristische kanalartige
Spuren. Mit 479 Knochen weisen 46,6 % des Fundkomplexes
diese Veränderung auf, wobei sich deutliche Unterschiede in
der Verteilung nach den verschiedenen Zeitperioden ergeben
(Tab. 8). Die Interpretation dieser Unterschiede bedarf der
Berücksichtigung verschiedener verfremdender Aspekte. Zum
einen kann das Bild durch umgelagerte Knochen mit Wurzel-
fraß verfälscht werden, zum anderen durch zusätzlichen Befall
von oberflächennahen Knochenfragmenten durch die Vegeta-
tion, die nach dem Ende der Besiedlung bis zur Ausgrabung in
diesem Areal vorhanden war. Daraus würde sich einerseits wie
bei den Verwitterungsspuren eine kontinuierliche Steigerung
des Anteils wie auch ein extrem hoher Anteil bei den ober-
flächennahen Schichten der letzten Siedlungsperiode erwarten
lassen. Dagegen zeigt die Verteilung zwar einen kontinuierli-
chen Anstieg bis in die Zeit um 100 n. Chr., dann jedoch ei-
nen deutlichen Rückgang, der allerdings durch die statistisch
geringe Knochenzahl der Perioden 4 und 5 bedingt sein kann.
Vergleicht man die Entwicklung des Anteils von Knochen
mit Wurzelfraß gegenüber solchen mit Verwitterungsspuren
(Diagr. 2), so fällt der stärkere Anstieg bzw. der höhere An-
957 Wahl 1981.
958 Hierzu s. Kap. II. 4 und II. 5.
 
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