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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0481
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A. C. Lens. W. J. Herreyns.

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theilten fich feiner Farbe und feinem Lichte mit, die durch und durch
unvlämifch, energielos und unnatürlich werden. In feinen Schriften vertrat er
diefelbe Lehre, wobei wir es als einen traurigen Beweis von Entartung zu
erwähnen haben, dafs Lens unter den antwerpifchen Malern zuerft das Beifpiel
gab, über feine Kunft in franzöfifcher Sprache zu fchreiben.*

Lens war daher und blieb, trotz dem was wir an ihm zu loben haben,
eine traurige Figur in unserer Schule: unnatürlich und unmännlich. Etwas
Gutes jedoch haben wir von ihm zu erwähnen: er war ein Sucher, ein Arbeiter
und felbft ein Fanatiker für die Kunft. Er fchlug einen ganz verkehrten Weg
ein, aber er that es mit reifer Ueberlegung und fester Ueberzeugung. Seine

aus dem Studium der Kunft früherer Zeiten gezogenen Folgerungen waren
falfch aber fein Studium war ernft, fein Eifer für das was er für das Scliönfte
hielt, ungewöhnlich. Er verliess die Bahn unterer grofsen Meifter, aber er
that es nicht leichtfinnig, fondern aus Gründen; er verliefs deren Schule, als
fie nur noch leeren Formen huldigte, und wollte etwas Neues an deren Stelle
fetzen, das kaum unter dem flehen konnte, was aus dem Alten geworden
war. Er sank tief, aber fein Streben war hoch, feine Leitungen waren
fchwach, aber feine Abfichten gut. Die claffifche Richtung, welche eine Zeit
lang bei Lens herrschen follte, war unfruchtbar; aber etwas Fruchtbares lag in
der Bewegung felbft, in dem Studium, dem Suchen nach etwas Anderem, und
Lens’ anmaffendes Auftreten als Reformator mit Feder und Pinfel wirkte als
nützlicher Sporn in einer Zeit allgemeinen Einfchlummerns.

Lens follte jedoch nicht der einzige bleiben, der von warmem Eifer für
die Kunft erfüllt war, und in ernftlichem Studium das Mittel zu ihrer Wieder-
belebung fuchte. Herreyns erwies fich als ein noch leiden fchaftlicherer Ver-
treter von Allem, was untere Malerfchule neuerdings erwecken konnte und van
Bree übertraf beide an unverdrossenem Beftreben, Antwerpen feinen alten
Rang im Gebiete der Kunft wieder zu erringen, und in der Aufopferung, wo-
mit er feinen akademifchen Unterricht fich angelegen fein liefs.

WILLEM JacobuS Herreyns** wurde 1743 geboren und am 10. Juni
in U. L. Frauenkirche getauft. Er erlangte 1764 an der Akademie den erften
Preis aus dem Zeichnen nach dem Leben, und eröffnete im folgenden Jahre
an demfelben Inftitute einen Cursus über Geometrie und Perfpective. In dem-
felben Jahre war er einer von den Künftlern, die fich mit dem Unterricht
im Zeichnen nach der Antike befafsten. 1767 verliefs er feine Geburtsftadt,

reifte einige Zeit und liefs fich dann in Mecheln nieder, wo er die Akademie
einrichtete. Nach der Invasion der Franzofen von 1794 wurde er zum Lehrer
an der Centralfchule des Departements der beiden Nethen , der gegenwärtigen
Provinz Antwerpen, ernannt. Damals war es, dafs er die Kunftwerke
fammelte, die er fo den Bjldftürmern jener Tage unter dem Vorwände ent-
rückte, dafs er fie für feinen Unterricht benützen wollte. Bereits im Februar
1800 wurde er als Lehrer der Akademie von Antwerpen angeftellt, welche
damals, »befondere Schule für Maler-, Bildhauer- und Baukunft« hiefs und
am 25. September desfelben Jahres zeichnete er fich als Lehrer und Direktor.
Diefes Amt bekleidete er bis an feinen Todestag, den 10. Auguft 1827.
Die Dienfte, welche er während feiner langen Lautbahn der von ihm geleiteten
Anftalt und den Künften, die dort gelehrt wurden, leiftete, find unzählbar.

* Andre Lens , Le Costume ou essai sur les habillements et les usages de plusieurs peuples
de 1’ antiquite prouve par les monuments. Liege 1776. — A. Lens, Du bon goüt ou de
la beaute de la peinture. Bruxelles 1811.

** Catalogue du Musee d’ Anvers. — Jos. van den Branden, Geschiedenis der Academie
van Antwerpen.
 
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