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Zur Geschichte der Beschreibungen der Mediciskulpturen

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Beschreibungen - wie der Anhang dieser Studie
nahelegt -, so ist es nicht immer möglich, sie
nach ihrem literarischen Ursprung zu unter-
scheiden. Aus diesem Grunde kann die Bespre-
chung der maßgeblichen Gattungen, in denen
Beschreibungen vorkommen, summarisch ge-
halten werden.

1. Michelangelo-Monographien. Zu Lebzeiten
Michelangelos haben zwei Autoren, Vasari
[1550] und Condivi [1553], Schilderungen
seines Lebens (Vita) veröffentlicht. Diese älte-
sten Biographien und die wenigen Beschreibun-
gen, die sie beinhalten, prägen das Bild Miche-
langelos bis heute in entscheidendem Maße.
Nachdem beide mehrfach, zum Teil kommen-
tiert und/oder übersetzt, wieder aufgelegt wur-
den,z5 entstehen erst seit dem ausgehenden 18.
Jahrhundert Monographien, die sich von die-
sen Vorbildern lösen. Sie werden fundiert
durch ein die historische Distanz überbrücken-
des Quellenstudium. Im selben Maße werden
Untersuchung und Beschreibung der Werke
ausführlicher. Leben und Werk, meist nach
Gattungen getrennt, werden vielfach in geson-
derten Kapiteln und selbständigen Büchern
dargestellt.

2. Werkmonographien. Monographien der
Neuen Sakristei enthalten vielfach die ausführ-
lichsten und differenziertesten Beschreibungen.
Publikationen dieser Art sind erst seit dem
19. Jahrhundert zu verzeichnen. Es handelt sich
vereinzelt um Bücher und vielfach um Aufsätze,
die seit 1869 vor allem in den damals neuen,
meist reich bebilderten Kunstzeitschriften wie
der Gazette des Beaux-Arts (gegründet 1859)
erscheinen. Während es anfangs teils noch um
die Besprechung der gesamten Kapelle und ihrer
Statuen geht, sind solche Aufsätze bald nur
noch einzelnen spezifischen Fragen gewidmet.

3. Reiseliteratur. Reiseberichte beinhalten seit
dem Cinquecento zahlreiche Beschreibungen
der Skulpturen der Neuen Sakristei. Sie wurden
sowohl als durchgehende Texte wie auch als
Briefe und Tagebücher verfaßt und waren nicht
immer zur Veröffentlichung bestimmt. Ein
wichtiges Beispiel ist das Manuskript Voyage
d'Italie des Humanisten Nicolas Audebert,
der 1576 einige Tage in Florenz verbrachte und
die erste überlieferte Beschreibung aller Statuen
der Tageszeiten verfaßte.26 Während die zu
untersuchenden Zeichnungen und Texte von
Künstlern, von Schriftstellern, die mit Kunst
vertraut waren, später von Kunstwissenschaft-
lern stammen, sind Reiseberichte die wichtigste
Quelle für die Rezeption der Laien. Leider
erlaubt ihre begrenzte Anzahl keine Soziologie
der Interpretationsgeschichte, ein Vorhaben,
das aus der vorliegenden Studie ausgeklammert
werden muß.2?

Während Reiseberichte persönliche Ein-
drücke wiedergeben und nicht um Vollständig-
keit bemüht sind, kommt Reiseführern objekti-
ver Anspruch zu. In seinem Florenzführer von
1591 gibt Francesco Bocchi die erste systema-
tische Beschreibung sämtlicher Skulpturen der
Neuen Sakristei.2-* Dieser älteste Kunstreisefüh-
rer blieb allerdings ein Einzelfall, da die späte-
ren Beispiele dieser Gattung von den populären
Baedekern bis zu den fachlich zuverlässigen
Bänden des Touring Club Italiano kaum de-
tailliert auf die einzelnen Statuen eingehen. Sie
sollen viele Denkmäler behandeln, handlich
bleiben und dem Reisenden nicht zu viel Lektü-
re abverlangen.

4. Allgemeine Kunstgeschichten. Viele - meist
kürzere - Beschreibungen der Neuen Sakristei
aus dem 19. und 20. Jahrhundert finden sich in
kunstgeschichtlichen Überblickswerken. Diese

über die Notte, doch trifft Pertiles Behauptung [199],
wonach Audeberts Beschreibung der Medicigräber auf
derjenigen von Vasari begründet sei, nicht zu. Sie ist
gerade aufgrund ihrer unbeholfenen Eigenständigkeit
interessant.
27 Charakteristisch für die »Laien-Betrachtung« ist bei-
spielsweise die mangelnde Information über die Iden-
tität der Skulpturen und der hier bestatteten Medici.

Audebert [1576, 189 f.] verwechselt die Statuen von
Giuliano und Lorenzo - letztere wird zweimal beschrie-
ben und als Alexander bezeichnet. Da er nicht weiß,
daß die Madonna aus Michelangelos Hand stammte,
schenkt er ihr keine Beachtung.
28 Über Bocchis Beschreibungen siehe zuletzt Frangen-
berg fr995 ff.] und Rosenberg [1995, 304].
 
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