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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 1): Autobiographische Schriften ; Briefwechsel ; Dichtungen ; Beischriften, Notizen und Gutachten ; Zeugnisse zum persönlichen Leben — Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.29731#0013
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EINLEITUNG

In der Geschichte des deutschen Kulturlebens zwischen Gotik und Renaissance ist Albrecht Dürer eine der
wenigen bildkünstlerischen Begabungen, deren Spannweite auch eine ausgedehnte literarische Betätigung
umfaßte: als Schreiber und Empfänger von Briefen, in Notiz- und Tagebüchern, in familiengeschichtlichen
und autobiographischen Aufzeichnungen, als Dichter und Beschrifter seiner Handzeichnungen, vor allem
aber in der Kunsttheorie. Die praktischen Notwendigkeiten des Daseins, Gefühle der Pietät, das Erleben
seiner schaufreudigen Seele, drängten anscheinend mehr als bei andern Künstlern seiner Zeit zu schriftlichen
Mitteilungen in Form von Briefen, Vermerken, Aufzeichnungen und selbstbiographischen Niederschriften
wie eines Gedenkbuches, einer Familienchronik und von Reisetagebüchern.

Während seiner Wanderjahre hatte Dürer am Oberrhein und in Italien Gelegenheit, den Aufschwung des
Buchwesens kennenzulernen und sich als Buchillustrator zu betätigen. Er hat in der Folgezeit sowohl seine
„Heimliche Offenbarung Johannis“ mit den dazugehörigen Bibeltexten sowie die beiden Passionen und
das Marienleben mit den Dichtungen des Chelidonius selbst verlegt und diese Werke durch die Verbindung
von Bild und Wort auch zu einer Angelegenheit des Buchdrucks und der Literatur gemacht. Marienleben
und beide Passionszyklen lassen nahe Beziehungen zum deutschen Passions-Spiel und zur Passionsbühne
der Zeit erkennen.

Unmittelbar nach der ersten Italien-Fahrt (1494/95) begann Dürer mit theoretischen Studien und bemühte
sich seit etwa 1508, die durch Erfahrung und Spekulation gewonnenen Einsichten in die Praxis und Theorie
seiner Kunst in der eben in mühsamer Ausformung begriffenen deutschen wissenschaftlichen Prosa nieder-
zulegen. Bereits 1513/15 berichtet Christoph Scheurl in der Vita des Propstes Anton Kreß, daß Dürer als
einziger nach Apelles ein Buch „Von der Kunst und Ursach der Malerei“ geschrieben habe. Es ist vom Ver-
fasser nicht veröffentlicht worden. Aber aus zahllosen Entwürfen, Plänen und Skizzen gingen schließlich
noch zu Dürers Lebzeiten drei umfassende theoretische Prosawerke in Druck: 1525 die Unterweisung der
Messung, 1527 der Unterricht zur Befestigung der Städte, 1528 die Proportionslehre1 2.

Neben den persönlichen und wissenschaftlichen Aufzeichnungen in Prosa versuchte sich Dürer um 1510
zeitweilig auch in literarischen Hervorbringungen poetischer Art, meist Spruchdichtungen religiös-didak-
tischen Charakters, z. T. stark persönlich gefärbt, aber in den damals üblichen Versformen. Einiges von
diesen Dichtungen hat Dürer mit Holzschnitten bebildert als Einblattdrucke und Flugblätter veröffent-
licht.

Vor allem die das Bildschaffen ergänzenden theoretisch-literarischen Arbeiten wurden von den Zeit-
genossen als etwas außergewöhnliches und besonderes empfunden und gerühmt".

Wie in Dürers Kunst die Neigung zur Schilderung und Selbstdarstellung zutage tritt, so zeigen auch seine
Schriften das Interesse an der eigenen Menschlichkeit und das innere Bedürfnis nach literarischer Weiter-
gabe der eigenen Beobachtungen und Erfahrungen. Seine Studien und sein grüblerisches Suchen des einen
Vollkommenen gewannen für ihn allmählich metaphysisch-religiöse Bedeutung. Er rang mit dem Wort, es
fiel ihm nicht selten schwer, seine Gedanken zu gliedern. Er war kein großer Dichter. Doch meisterhaft
beherrschte er die Formen des Briefes und der Selbstbildnischarakter tragenden persönlichen Aufzeichnung;
aus ihnen fühlen wir noch heute: er hat ein treues und warmes Herz besessen und ist ein guter Mensch

1 Die Ausgaben sind verzeichnet bei H. Bohatta, Versuch einer Bibliographie der kunsttheoretischen Werke A. Dürers
(Wien 1928). Die Proportionslehre befand sich, als Dürer starb, eben im Druck. Nur das erste der vier Bücher hatte
er noch selbst korrigieren können. Bei den restlichen überwachten die Freunde, d. h. in erster Linie Willibald Pirck-
heimer, die Drucklegung.

2 Vgl. H. Rupprich, Das literarische Bild Dürers im Schrifttum des 16. Jahrhunderts. Festschrift für Dietrich Kralik
(Horn 1954), S. 225 ff.

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