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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 1): Autobiographische Schriften ; Briefwechsel ; Dichtungen ; Beischriften, Notizen und Gutachten ; Zeugnisse zum persönlichen Leben — Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.29731#0152
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TAGEBUCH DER REISE IN DIE NIEDERLANDE

Die Originalhandschrift ist verschollen. Eine Notiz aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts bemerkt, daß sie
sich nach Dürers Tode im Besitz W. Pirckheimers befand und mit diesem der Familie Imhoff vererbt wurde.
Willibald Imhoff (gest. 1580) besaß sie noch. Zuletzt wird sie 1620 erwähnt. Ein einzelnes Blatt daraus ist
vermutlich in der Londoner Hs. Add. 5229 fol. 50 (III, 22) erhalten. Dieses Blatt hat die Größe von un-
gefähr 14,5 X 10 cm; die Ränder sind stark abgenützt. Es trägt auf der Vorderseite die Zeichnungen zweier
niederländischer Frauenmäntel, auf der Rückseite zwei geometrische Zeichnungen. Zeichnungen und Be-
schriftung stammen von Dürers Hand. Die Schriftzüge weisen, wie ein Vergleich mit den Aufschriften der
in den Niederlanden entstandenen Federzeichnungen ergibt, in die Zeit um 1520/21. Auch inhaltlich steht
durch die zweimalige Bezeichnung „niederländischer Frauen Mantel“ die Verbindung des Blattes mit Dürers
Reise außer Zweifel. Da die Bamberger Abschrift des Tagebuches am Schluß ebenfalls Zeichnungen der
beiden Mäntel überliefert, ist die Vermutung kaum von der Hand zu weisen, daß dieses vereinzelte Lon-
doner Blatt einmal zur Urschrift des Reisetagebuches gehörte, wo es vielleicht ebenfalls eines der letzten
Blätter bildete. Gewiß kann das Blatt nicht ein Bestandteil des niederländischen Skizzenbuches gewesen
sein, wie Lange-Fuhse S. 179 A mit Recht feststellen, wohl aber von Dürers „Schreibpüchle“, in das er
ebenfalls einzelnes ihm Bemerkenswertes, z. B. das große Fischbein zu Brüssel (Ende August 1520), ein-
zeichnete. Ist meine Annahme der ursprünglichen Zugehörigkeit des Londoner Blattes zur Originalhand-
schrift richtig, so wäre das eine weitere Bestätigung dafür, daß die Urschrift des Tagebuches bis 1633/34 zu
den Pirckheimer-Imhoffsehen Beständen gehörte. Wann und wo sie daraus entfernt wurde, wissen wir nicht.
Gelangte sie 1637 in den Besitz des Grafen Arundel, so ist sie 1642 wahrscheinlich mit dem Schloß des
Grafen verbrannt. Sonst bestünde eine gewisse Möglichkeit, daß sie aus einem deutschen, niederländischen
oder englischen Familienarchiv noch einmal auftaucht. Wir bezeichnen das Londoner Blatt im folgenden
mit L.

Außer diesem einzelnen Blatt haben sich zwei alte Abschriften erhalten.

1. In der Staatlichen Bibliothek zu Bamberg 246. J. H. Msc. art. 1 (III. 18). Pap. 30 X 20V2 cm. 67 S. 17. Jh.
Vgl. Katalog der Handschriften der Kgl. Bibliothek zu Bamberg 2 (Leipzig 1887), S. 83. Die Hs. kam
1849 durch Vermächtnis Joseph Hellers an die Bibliothek in Bamberg. Heller hatte sie 1825 aus dem Nach-
laß des preußischen Hauptmanns Hans Albrecht von Derschau ersteigert. Derschau wieder hatte sie (vor
1812) aus dem Archiv der Familie Ebner in Nürnberg erworben. Dort war sie 1778 von Ch. G. v. Murr
entdeckt worden. Auf Seite 1 macht Derschau folgende Angaben:

„Dürers Original-Handschrift seiner Reise nach den Niederlanden, war ehmals aus dem Nachlaß des
W. Pirckheimer nebst deßen Bibliothek im Besitz der Familie Imhoff; nach welchem gegenwärtige Copie
von Maler Joh. Hauer 1620 genomen ist.

Diese Abschrift gelangte in der Folge in das Ebnerische Museum zu Nürnberg; aus welchem sie der gegen-
wärtige Besitzer erkaufte.

Da das Original bereits 1779 ohnerachtet aller angewanten Mühe v. Murr nicht mehr auftreiben konte, so
hat er nach dieser Copie einen Auszug im VIIten [Th.] seines Kunst Journals abdrucken laßen. Die Correc-
turen mit neuerer Schrift sind ansichtlich von seiner Hand.“

Lange-Fuhse S. 99 ff. haben in diese Angaben Derschaus teilweise insofern Zweifel gesetzt, als sie mit Recht
darauf hinwiesen, daß die Hs. nicht unmittelbar auf das Dürersche Autograph zurückgehen könne, und auf
Grund von Schriftvergleichen den Nachweis erbrachten, daß auch Johann Hauer nicht der Schreiber sei.
Gegen die Mutmaßung Ch. Ephrussis (A. Dürer et ses dessins, Paris 1882, S. 289-292), daß ein Teil der
Beschreibung des Ausfluges nach Seeland in dieser Abschrift des Autographs gefehlt habe, vgl. F. Wickhoff,
Zeitschrift für bildende Kunst 17 (1882), S. 261 ff. Diese Handschrift wird im folgenden mit A bezeichnet.

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