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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 1): Autobiographische Schriften ; Briefwechsel ; Dichtungen ; Beischriften, Notizen und Gutachten ; Zeugnisse zum persönlichen Leben — Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.29731#0081
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VON LAZARUS SPENGLER

vnsere sinnlikeiten vnd begirden als die vngezemp-
20 ten roß gantz weitschweiffend widerspennig vnnd
also geschickt, das die der vernunfft als eins furmans
on mittel2 notdurfftig sind, durch die sie mögen ge-
zempt vnnd in dem rechten wege erhallten werden.
Vnd so dann die vernunfft yedes mals allein zu tu-
25 genden vnd dem, so das besst vnd nutzlichist ist,
rätt vnnd anreitzung gibt, so ist vns nott zu solchem
durch ordenliche, gegrundte3 mittel, die vnns zu
dem güten bewegen vnd von dem bösen abziehen
(das sind vernunfftig gütt leeren vnd vndterwey-
30 sungen, vndter denen erkanndtnus sein selbs die
fürnemlichst vnd anfengklichist ist) zu kommen.
Wiewol nun die pücher der alten philosophi, vnd
sonderlich die von sittlichen tugenden geschriben
haben, diser vndterweisung vnd leren gantz vol
35 sind, darumb mir auch möcht verwysen werden,
mich deß, das vor mir andere, vnd die vernunfftig-
sten, geschicksten mit höherm vleiß, mererm safft
vnd zierlichem Worten, gethan haben, zu vndersteen,
so hab ich doch güter meinung vnd auß nachuol-
40 genden bewegnussen4 dise verzeichnus ettlicher
nützlicher anweisung zusammen gepracht, damitt ich
mein müssige zeyt (der doch, wie ihr wisst, wenig
ist) nit vergebenlich vnd vnnutzlich zuprecht, auch
für mich selbs in meinen täglichen vbungen einen
45 sporn haben möcht, dester stattlicher vnd gewar-
samlicher5 zu wandern.

Dann was ist einen tapfern mann (damit ich mich
gantz nit gemeint haben will) vnd sonderlich der
mit täglichen henndeln gemeins6 nutz beladen sein

1 D. h. die Vernunft.

2 Weil sie selbst ohne Mittel, d. h. hilflos sind.

3 Auf einem Grund ruhende.

4 Gründen.

5 vorsichtiger.

müß, nutzlichers, was auch fruchtparers, dann in 50
seinen gescheftten vnnd hanndlungen einen ver-
nunfftigen gegenwurff zusuchen, sich in einem
cristenlichen, gotsförchtigen, ordenlichen vnd ge-
schickten leben zuerhallten, wie meins achtens durch
vilfeltige betrachtung dieser vnnd der gleichen ss
vndterweysungen - wo die in got als den rechten
werckmeister geordent werden vnnd dem vertraut
wirdet — am stattlichsten beschehen mag, dhweil
alle menschliche leren, vbungen, werck vnnd ge-
dancken on sein gnad vnd mitwürckung gantz vn- 60
nutz vnd vnfruchtpar sind.

Vnd so ich euch dann (on schmeichelrede zuschrei-
ben) für einen verstendigen erkenn, der erberkeit
vnd güten tugenden geneigt, der mir auch aus täg-
licher vnser beder vertrewlichen beywonung7 zu- 65
uilmaln nit ein geringe bewegnus vnd ebenpild
dester behuetsamers wandeis gewest, inmassen euch
von mir mer dann zu einem mal entdeckt8 ist, so
hab ich euch dise zusammenn geprachte kurtze er-
manungen vnnd vndterweysungen (nit darumb, 7°
das ich acht euch einicher vndterweysung not-
durfftig zu sein, sonder mein geringe hierinn ge-
pra uchte arbeit damit zu zuschreiben) vberschicken
wollen, bittende das von mir freuntlicher guter
meinung, als es beschicht, anzunemen, das nach 75
eurm verstand zu pessern vnd mich für eurn freund
vnd bruder wie bißhere zuhalten. Dargegen er-
pewt ich mich in ewer freundtschafft vnd vertrew-
lichen verwandtnus, so vil an mir ist, bestendigklich
zuuerharren. 80

6 allgemeinen.

7 Dürer hatte 1509 das Haus an der Ecke der Zistel-
gasse am Tiergärtnertor gekauft und wohnte in un-
mittelbarer Nähe des Spenglerschen Stammhauses eben-
falls an der Zistelgasse.

8 ausgesprochen.

Nr. 22

DÜRER AN LAZARUS SPENGLER
Nürnberg 1511.

Aufschrift auf der Federzeichnung genannt „Spottbild für Lazarus Spengler“ (W. 623) oder „Satirische
Darstellung“ (T. 494).

Uber L. Spengler vgl. die Vorbemerkung zu Brief Nr. 21.

Original in Bayonne, Musee Bonnat, vergilbtes Papier, 240X298 mm.

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