42. BRIEF
55 durch tegliche merung mit der zeit wider zu jr vori-
gen wirdigkhait gelangen mög. Wiewol mein ge-
mute gantz nit ist, yemand dadurch zuuerpinden,
das er dieser meiner new gefunden leer, als ob die
gantz volkommen, dermasßen anhahe8, das er nit
60 einen trit dauon weichen soll, zuuor dhweil die
natur bißhere der gestalt nit abgenommen, das jr
vnmöglich, noch mer furtreffenlichere vnnd schick-
lichere kunst an tag zu bringen. Deßhalb mag vnnd
soll sich ein yeder meiner vnterrichtung vnnd leer
65 geprauchen, so lang jme das gefellig erscheint, oder
es ein nutzeres vnnd pessers verhofft zubegreiffen.
Dann gar ein schlechte einfeltige vernufft ist, die zu
yeder zeit allein annderen nachuolgt vnnd auß jr
selbs aigen schickligkhait nichtzit weyß zuerfinden.
7o Darumb auch dieselben nachuolger vorgefundner
kunst von den alten meisternn vnnd poeten nit vn-
billich als die groben bestia oder thier genant wer-
den. Spricht auch Quintilianus9, das nichtzit armseli-
gers sey, dann so einer die vnterweißung, die er an-
75 fengklich an sich genommen, dem klayd, das er erst-
lich von seiner muter empfangen hat, gleichmessig
verwar. Demnach soll ein yeder vß solichem meinem
anzaigen also malen, das jme dauon diese hoffnung
erwachs, mit der zeit noch nützlichere ding zube-
8o schreiben vnnd an den tag zubringen. Vnd so das
beschehen, wirdet diese konnst sonnders zweiffels
zu solichem auffnemen raichen, das sie auch den
alten gleich sein mag. Dann was sollten sich die
maler Teutscher nacion nit vntersteen bedorffen, so
85 sie zu dem geprauch jrer hendt, darinn sie on das10
geschick sein, auch die kunst vnnd vnterweyßung,
der sie bißhere allein jn mangel sein gestanden, wer-
den vberkommen. Vnd ob wol diese mein leer vnnd
anzaigung als vnschicklich oder vnfruchtpar veracht
9o wirdet, das stell jch jn seinen werdt vnd vnwerdt,
jst auch daran nit hoch gelegen. Dann ain yeder jst
ganntz vnbedrangt, dieselben kunst wider seinen
56. mög/ 57. ist/ zuuerpinden/ 58. leer/ 59. anhahej
60. soll/ 65. geprauchen/ erscheint/ 66. zubegreiffen/
67. ist/ 68. nachuolgt/ 71. poeten/ 71 f. vnbillich/
73 f. werden/ 74. sey/ 76. hat/ 77. verwar/ 78.
malen/ 79. erwachs/ 80. zubringen/ 82. raichen/
83. mag/ 84. bedorffen/ 85. hendt/ 86. sein/ 88.
vberkommen/ 89. anzaigung/ 90. wirdet/ vnwerdt/
91. gelegen/
willen zugeprauchen, mag auch der mussig steen
vnnd doch das, so er für nichten acht, den begeren-
den angezaigter kunst gestatten. Das zaig jch aber 95
nit darumb an, das jch nit mög gedulden, diese mein
vnterrichtung vnnd anzaigung, ob die fruchtpar
oder vnfruchtpar sey, zu bewegen11, sonnder die
zuuor vnnd ehe darüber geurtailt werd, mit vleiß
zu leßen, auch recht vnnd mit einem grund zu er- 100
mesßen12. Dann wo sich der schuster, der dem gro-
ssen maler Appellis sein gemeld vermainet zu straf-
fen13, diese mein kunst gleicher weyse zu vrtailen
vnnd als vntuglich zuuernichten vntersteen wurd,
soll er gedencken: nit weiter dann vber den zockel11, i°5
das jst vber das, so er gelernet hat vnd verstendig
ist, vrtail zu feilen, dhweil nymant vber das gemeld
rechten verstand haben kan, der das neben der kunst
auch mit den henden nit getriben hat. Darumb sagt
Vitruuius15 jn dem recht vnnd wol: das die, die sich no
vntersteen, mit den henden vnd dem werck on die
kunst zu arbaiten, das, so sie begern, nit erlangen,
deß gleichen die, die sich allein der kunst vnnd ver-
nufft geprauchen, annders nit dann dem schein vnnd
nit dem volkommenlichem werck nachstellen; die- 115
jhenen aber, so sich jn den beden vben, nemlich die
kunst lernenn vnnd dabey das wergk vnter die
hennd nemen, mögen allein gelangen zu dem vol-
kommen ennde, deß sie begeren. Deßhalben ist den
vrtailern meines furgenommen wercks wol not, vber 120
die bede einen rechten verstand zu haben, damit sie
durch mangel der kunst kein vngeschickte vrtail
feilen, oder, so sie on hilff vnnd handtraich der
hennd jr vertrawen allein in die kunst zu setzen
vermainen, von den maler knaben gleich dem gro- 125
ßen könig Alexandro nit verspot werden16. Vnnd
nachdem zuuor jn dieser vnnd der gleichen kunsten
der neyd nit wenig regirt, stet bey mir jn keynem
zweyffel, das mir von etlichen verwißen werd, das
ich diese verporgne vnd haimliche kunst dem ge- 130
93. zugeprauchen/ steen/ 94. acht/ 95. gestatten/ 96.
an/ 98. sey/ zu bewegen/ 100. leßen/ ioof. ermesßen/
102f*. straffen/ 104. wurd. 105. gedencken. weiter/
zockel/ 106. jst/ 107. ist/ feilen/ 108. kan/ 109. hat/
ixo. die. die 112. arbaiten/ erlangen/ 113. gleichen, die.
die 116. vben/ 118. nemen/ 119. begeren/ ist/ 121.
haben/ 123. feilen/ 125. knaben/ 127. kunsten/ 129.
zweyffel/ werd/ 130. kunst/
98
55 durch tegliche merung mit der zeit wider zu jr vori-
gen wirdigkhait gelangen mög. Wiewol mein ge-
mute gantz nit ist, yemand dadurch zuuerpinden,
das er dieser meiner new gefunden leer, als ob die
gantz volkommen, dermasßen anhahe8, das er nit
60 einen trit dauon weichen soll, zuuor dhweil die
natur bißhere der gestalt nit abgenommen, das jr
vnmöglich, noch mer furtreffenlichere vnnd schick-
lichere kunst an tag zu bringen. Deßhalb mag vnnd
soll sich ein yeder meiner vnterrichtung vnnd leer
65 geprauchen, so lang jme das gefellig erscheint, oder
es ein nutzeres vnnd pessers verhofft zubegreiffen.
Dann gar ein schlechte einfeltige vernufft ist, die zu
yeder zeit allein annderen nachuolgt vnnd auß jr
selbs aigen schickligkhait nichtzit weyß zuerfinden.
7o Darumb auch dieselben nachuolger vorgefundner
kunst von den alten meisternn vnnd poeten nit vn-
billich als die groben bestia oder thier genant wer-
den. Spricht auch Quintilianus9, das nichtzit armseli-
gers sey, dann so einer die vnterweißung, die er an-
75 fengklich an sich genommen, dem klayd, das er erst-
lich von seiner muter empfangen hat, gleichmessig
verwar. Demnach soll ein yeder vß solichem meinem
anzaigen also malen, das jme dauon diese hoffnung
erwachs, mit der zeit noch nützlichere ding zube-
8o schreiben vnnd an den tag zubringen. Vnd so das
beschehen, wirdet diese konnst sonnders zweiffels
zu solichem auffnemen raichen, das sie auch den
alten gleich sein mag. Dann was sollten sich die
maler Teutscher nacion nit vntersteen bedorffen, so
85 sie zu dem geprauch jrer hendt, darinn sie on das10
geschick sein, auch die kunst vnnd vnterweyßung,
der sie bißhere allein jn mangel sein gestanden, wer-
den vberkommen. Vnd ob wol diese mein leer vnnd
anzaigung als vnschicklich oder vnfruchtpar veracht
9o wirdet, das stell jch jn seinen werdt vnd vnwerdt,
jst auch daran nit hoch gelegen. Dann ain yeder jst
ganntz vnbedrangt, dieselben kunst wider seinen
56. mög/ 57. ist/ zuuerpinden/ 58. leer/ 59. anhahej
60. soll/ 65. geprauchen/ erscheint/ 66. zubegreiffen/
67. ist/ 68. nachuolgt/ 71. poeten/ 71 f. vnbillich/
73 f. werden/ 74. sey/ 76. hat/ 77. verwar/ 78.
malen/ 79. erwachs/ 80. zubringen/ 82. raichen/
83. mag/ 84. bedorffen/ 85. hendt/ 86. sein/ 88.
vberkommen/ 89. anzaigung/ 90. wirdet/ vnwerdt/
91. gelegen/
willen zugeprauchen, mag auch der mussig steen
vnnd doch das, so er für nichten acht, den begeren-
den angezaigter kunst gestatten. Das zaig jch aber 95
nit darumb an, das jch nit mög gedulden, diese mein
vnterrichtung vnnd anzaigung, ob die fruchtpar
oder vnfruchtpar sey, zu bewegen11, sonnder die
zuuor vnnd ehe darüber geurtailt werd, mit vleiß
zu leßen, auch recht vnnd mit einem grund zu er- 100
mesßen12. Dann wo sich der schuster, der dem gro-
ssen maler Appellis sein gemeld vermainet zu straf-
fen13, diese mein kunst gleicher weyse zu vrtailen
vnnd als vntuglich zuuernichten vntersteen wurd,
soll er gedencken: nit weiter dann vber den zockel11, i°5
das jst vber das, so er gelernet hat vnd verstendig
ist, vrtail zu feilen, dhweil nymant vber das gemeld
rechten verstand haben kan, der das neben der kunst
auch mit den henden nit getriben hat. Darumb sagt
Vitruuius15 jn dem recht vnnd wol: das die, die sich no
vntersteen, mit den henden vnd dem werck on die
kunst zu arbaiten, das, so sie begern, nit erlangen,
deß gleichen die, die sich allein der kunst vnnd ver-
nufft geprauchen, annders nit dann dem schein vnnd
nit dem volkommenlichem werck nachstellen; die- 115
jhenen aber, so sich jn den beden vben, nemlich die
kunst lernenn vnnd dabey das wergk vnter die
hennd nemen, mögen allein gelangen zu dem vol-
kommen ennde, deß sie begeren. Deßhalben ist den
vrtailern meines furgenommen wercks wol not, vber 120
die bede einen rechten verstand zu haben, damit sie
durch mangel der kunst kein vngeschickte vrtail
feilen, oder, so sie on hilff vnnd handtraich der
hennd jr vertrawen allein in die kunst zu setzen
vermainen, von den maler knaben gleich dem gro- 125
ßen könig Alexandro nit verspot werden16. Vnnd
nachdem zuuor jn dieser vnnd der gleichen kunsten
der neyd nit wenig regirt, stet bey mir jn keynem
zweyffel, das mir von etlichen verwißen werd, das
ich diese verporgne vnd haimliche kunst dem ge- 130
93. zugeprauchen/ steen/ 94. acht/ 95. gestatten/ 96.
an/ 98. sey/ zu bewegen/ 100. leßen/ ioof. ermesßen/
102f*. straffen/ 104. wurd. 105. gedencken. weiter/
zockel/ 106. jst/ 107. ist/ feilen/ 108. kan/ 109. hat/
ixo. die. die 112. arbaiten/ erlangen/ 113. gleichen, die.
die 116. vben/ 118. nemen/ 119. begeren/ ist/ 121.
haben/ 123. feilen/ 125. knaben/ 127. kunsten/ 129.
zweyffel/ werd/ 130. kunst/
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