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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 1): Autobiographische Schriften ; Briefwechsel ; Dichtungen ; Beischriften, Notizen und Gutachten ; Zeugnisse zum persönlichen Leben — Berlin, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.29731#0121
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AN BÜRGERMEISTER UND RAT DER STADT NÜRNBERG UND AN ¥. PIRCSHEIMER

vnd rechte künstner solchs vnbesunen werck ge-
15 sehen, haben sie (vnd nit vnbillich) diser leut blindt-
heyt gelacht, dieweyl einem rechten verstand nichts
vnangenemer zu sehen ist dann falscheyt im gemel,
vnangesehen ob auch das mit allem fleiß gemalt
wirdet. Das aber solche maler wolgefallen in jren
20 yrthumben gehabt, ist alleyn vrsach gewest, das
sie die kunst der messung nit gelernet2 haben, an
die keyn rechter werckmann werden oder seyn kan;
das aber jr meyster schuld gewest, die solche kunst
selbs nit gekündt haben.

25 Dieweyl aber die der recht grundt ist aller mallerey,
hab jch mir fürgenomen, allen künstbegyrigen jun-
gen eyn anfang zu stellen vnd vrsach zu geben, da-
mit sie sich der messunge zirckels vnd richtscheyt[s]
vnderwinden vnd darauß die rechten warheyt er-
30 kennen vnd vor äugen sehen mögen, damit sie nit
alleyn zu künsten begirig werden, sonder auch zu
eynem rechten vnd grosseren verstant körnen mö-
gen, vnangesehen das itzt bey vns vnd in vnseren
zeyten die künst der malerey durch etliche seer ver-
35 acht vnd gesagt will werden, die diene zu abgötte-
rey3. Dann eyn yeglich christenmensch wirdet durch
gemel oder byldnüß als wenig zu einem affterglau-
ben getzogen als eyn frümer mann zu eynem mord,
darumb das er ein Waffen an seiner seyten tregt4.
40 Must warlich eyn vnuerstendig mensch seyn, der
gemel, holtz, oder steyn anbetten wölt. Darumb
gemel mehr besserung dann ergernuß bringt, so das
erberlich, künstlich vnd woll gemacht ist. In was
eren vnd wirden aber dise künst bey den Kriechen
4s vnd Römern gewest ist, zeygen die alten bücher
gnugsam an. Wiewoll sie nachfolgent gar verloren
vnd ob tausend jaren verborgen gewest vnd erst in5
zweyhundert jaren wider durch die Walhen an tag
gebracht ist worden6. Dann gar leychtiglich ver-
so Heren sich die künst, aber schwerlich vnd durch
lange zeyt werden sie wider erfunden.

28. richtscheyt.

Dürers Buchwidmungen bestehen immer aus zwei Tei-
len: dem Widmungsbrief vor Beginn des Textes und
einer Schlußschrift an seinem Ende, in der Dürer sich
nochmals an die Persönlichkeit wendet, welcher das
Schriftwerk zugeeignet ist und ihr den Abschluß seiner
Ausführungen kundgibt. Auf diese Weise wird die
Vorstellung gewahrt, als spräche der Dedikator das

Demnach hoff jch, diß meyn furnemen vnd vnder-
weysung werde kein verstendiger dadelen, dieweyl
es auß einer gutten meynung vnd allen künstbegiri-
gen zu güt geschieht vnd auch nit alleyn den ma- 55
leren, sonder goldschmiden, bildhaweren, steyn-
metzen, schreyneren vnd allen den, so sich des maß
gebrauchen, dienstlich seyn mag. Jst niemand ge-
zwungen, sich diser meiner 1er zu brauchen. Jch
weyß aber woll, wer sich der vndersteen7, wirdet 60
nit allein eynen grüntlichen anfang darauß fassen,
sonder durch den täglichen brauch zü eynem gros-
sem verstand reichen, weyter süchen vnd gar vil
mehr, dann jch ytzt anzeyg, erfinden.

Dieweyl jch aber, günstiger herr vnd freündt, 65
weyß, das jr eyn liebhaber aller künst seyt, han jch
euch dises büchlein auß sonderer züneygung vnd
freüntlichen willen zü geschriben, nit darum das
jch vermeynt, jch het euch was groß oder fürtref-
fenlichs damit bewysen, sonder das jr darauß mei- 7°
nen geneygten vnd güten willen versteen vnd er-
messen möcht, ob jch euch gleychwol mit meinem
wercken nit sonders erschließlich8 seyn mag, das
dannoch meyn gemüt allzeyt bereyt were, euch
ewer gunst vnd lieb, so jr zü mir tragt, mit gleicher 7s
Widerlegung zü bezalen.

Am Schluß der Unterweisung der Messung fol.
Qiija:

Vnd damit, günstiger Über heer, will ich meinem
schreyben end geben; vnd so mir got genad ver-
leycht, die bücher, so jch von menschlicher propor-
cion vnd anderen darzü gehörend geschryben hab, 80
mit der zeyt in druck pringen vnd darpey meniglich
gewarnet haben, ob sich yemand vndersteen wurd,
mir diß außgangen büchlein wider nach zü drucken,
das jch dasselb auch wider drucken will vnd auß
lassen geen mit meren vnd grösserem züsatz, dann 85
ietz beschehen ist. Darnach mag sich ein yetlicher
richten.

Gott dem herren sey lob vnd eer ewigklich.

ganze Werk hindurch zu dem in der Widmungsepistel
angesprochenen Freund oder Gönner. Diese Rahmen-
form verwendet Dürer sowohl bei der Widmung der
Unterweisung der Messung wie dem Unterricht zur Be-
festigung der Städte. Am Ende der Proportionslehre,
deren vollständige Drucklegung Dürer nicht mehr er-
lebte, ist die Schlußschrift ersetzt durch eine analoge

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