Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
352



der Einfachheit eines ganz natürlichen, zufriedenen
Lebens, und obgleich ihr wieder und wieder die Last
häuslichen Kummers auferlegt wurde — wie tief der
Kelch war, den die Todesengel dem Kinde füllten,
ist nicht zu sagen — so genoß sie doch soviel sorg-
loses Glück, als ihre eigene heitere und liebevolle
Natur ihr aus den Beziehungen zu allem um sie her
erwachsen ließ. Sie war in kindlichen Spielen und
Sitten aufgewachsen, wie sie in den ländlichen Städten
Süd-Schottlands damals noch gang und gäbe waren.
Und vielleicht zeichneten sich diese Städte durch eine
größere Verfeinerung und einen ehrenhafteren Stolz
aus als sonst zu jener Zeit irgend ein Landstrich in
Europa;* ein gewisses Pathos, eine gewisse Macht

wendet. Das Haus, wie es früher aussah, findet sich im
Mittelpunkt des Holzschnitts in Gordon Fräsers Führer S. 6,
im Hintergrund die Stewartry-Berge. Selten habe ich ein
treueres Bild einer altschottischen Stadt gesehen.
* Die folgenden wenigen Seiten aus 'Redgauntlet' zeigen in
größter Kürze den Unterschied zwischen jenen Zeiten und
den unheilvoll anschwellenden Torheiten und Eitelkeiten
Edinburgs:

„Kommen Sie nur, Mr. Fairford, wir halten es mit zei-
tigeren Stunden als die Edinburger," sagte der Bürger-
meister.

„Ja, kommt nur, junger Herr," sagte der Gutsherr. „Ich
kann mich noch gut auf Euern Vater besinnen vor dreißig
Jahren am Kreuz auf dem Marktplatz. Ihr werdet wohl in
Edinburg ebenso späte Stunden haben wie die in London;
Mittagessen um vier Uhr, wie?"

„Ganz so tief sind wir noch nicht gesunken," erwiderte Fair-
ford. „Aber viele Edinburger treiben freilich die Torheit so
weit, daß sie ihr Mittagessen bis um drei Uhr auf-
 
Annotationen