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II. FRUHWERKE. BEGEGNUNG MIT AGORAKRITOS
AN DER NIKE-BALUSTRADE?

Sollte es hier gelungen sein, für die Anteile an der Tempelplastik von Epidauros
die richtigen Meisternamen einzusetzen und auf diese Weise den persönlichen Stil
des Timotheos zu erkennen, erhebt sich in der Folge die Frage nach seiner weiteren
künstlerischen Entwicklung und die Frage nach seinen Anfängen.
Ein originaler weiblicher Torso von der Athener Agora (Taf. io und Abb. 43) ist
auf wenig älterer Stufe dem Nike-Akroter von der Ostfront des Asklepios-Tempels
so eng verwandt, daß in diesem ein Frühwerk des Timotheos erhalten scheint118.
Gegenüber der großartig freien Haltung der Nike wirkt der Athener Torso noch
etwas befangen, im Detail reicher.
Aber im Verhältnis von Körper zu Gewand und in der Behandlung des Chitons
mit dem zwischen den Brüsten herabflatternden Saum und den zarten, über die
Oberfläche spielenden Fältchen, verrät sich die gleiche Hand. Dem Reiz, den der
Kontrast von luftig durchsichtigem Chiton zu schwerem Himation auf den Meister
ausübte, scheint er sich in immer neuen Variationen nie haben entziehen können.
Die charakteristische Art, in der das Himation immer an dem lebhafter bewegten
der beiden Beine hochgeschoben und gestaut ist, verbindet den Torso mit dem
Neoptolemos und der Leda. Der feste, durch die Lüfte eilende Frauenkörper ent-
faltet seine ganze Schönheit und innere Dynamik nur in der Vorderansicht; die
Seiten wirken vernachlässigt, hinten ist er nicht vollständig durchgearbeitet. Man
wird daher nicht fehlgegangen sein, in dem Torso ein Akroter zu vermuten. Da er
am Kolonos Agoraios, östlich des Hephaisteion, gefunden wurde, hängt er zweifellos
mit der Bautätigkeit zusammen, die um die Wende vom fünften zum vierten Jahr-
hundert der Westseite der Agora mit der Errichtung des jüngeren Bouleuterion und
der Zeus-Stoa ein neues Gesicht gab. Der Torso könnte in Verbindung mit zwei
Niken und einer Terrakottagruppe einst das dreiteilige Dach der Zeus-Stoa ge-
schmückt haben119.
Wie in anderem Zusammenhang auseinandergesetzt wurde, scheint Kallimachos
an der Ausarbeitung des Akroterschmucks dieses Baus wesentlich beteiligt gewesen
zu sein120.
118 Athen, Agora-Mus. S 182. AA. 1932, 119. AJA. 36, 1932, 384 Taf. C. JHS. 52, 1932, 236 ff. Shear,
Hesperia 2, 1933, 526 ff. Abb. 10—12 Taf. 16. Hesperia 18, 1949, 243 Anm. 33. Erh. H. 1,25 m. Parischer
Marmor.
119 Vgl. Schlörb a. O. 50 mit Anm. 27. 120 Ebenda.
 
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