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VII. SPÄTWERKE. WEIBLICHE STATUE
IN BURLINGTON HOUSE. ARTEMIS

Nachdem Timotheos in den siebziger Jahren mit der Leda, den Giebelskulpturen
von Masi und der Athena (Rospigliosi) seine künstlerische Reife erfahren hatte,
beginnt seine Schaffenskraft in der Folgezeit zu erlahmen, die schwebende, zarte
Melodie seiner lichten Frauengestalten zu verklingen. Als man ihn zur Teilnahme an
der plastischen Ausschmückung eines der bedeutendsten antiken Grabmäler nach
Halikarnaß berief, war er bereits ein alter Meister. Kurz bevor er nach Kleinasien
ging, um dort dem Anschein nach sein Lebenswerk zu beschließen, hat er im grie-
chischen Mutterland noch mindestens zwei Werke geschaffen, von denen der ehe-
malige Aufstellungsort vorläufig unbekannt bleibt.
Bei der einen der beiden Schöpfungen handelt es sich um einen weit unterlebens-
großen weiblichen Torso unbekannter Herkunft in London, Burlington House (Abb.
53). Wenn die unzureichenden Abbildungen nicht täuschen, ist der Torso ein Original,
wie bereits B. Ashmole bei der Gegenüberstellung dieses Stückes mit einer Replik
in Brocklesby Park entscheiden zu können glaubte191.
Die unverwitterte, nur großflächig angelegte Rückseite der Figur in Burlington
House läßt auf eine ursprünglich teilweise geschützte Aufstellung schließen. Eine
sichere Aussage zur Darstellung erscheint aber nicht möglich. Der jugendliche Körper
beugt sich leicht nach vorn, das Spielbein ist vorgesetzt und etwas nach außen ge-
dreht. Die rechte Hand hebt den schleierartigen Mantel an und entblößt den rechten
Fuß. Der linke Arm erscheint unter dem Himation spontan zurückgenommen. Alles
an der Figur ist in Unruhe und Bewegung, jede Linie wie im Augenblick der Auf-
lösung erfaßt. Der transitorischen Haltung entsprechend gleitet der Chiton von der
Schulter, umspielt das Himation den Unterkörper.
191 London, Burlington House. Erh. H. 0,76 m. Pentelischer Marmor. An der rechten Brust modern
überarbeitet, außer einigen geglätteten Bruchstellen Oberfläche intakt. Sollte es sich dennoch um eine
Kopie handeln, könnte sie nicht zu spät im Hellenismus entstanden sein. Br Br. 747/48 (Ashmole). Erste
Veröffentlichung durch Ch. Walston, Notes on Greek Sculpture 17 ff. Taf. 3: Möglicherweise ein Ge-
schenk des Architekten Cockerell ? Von Lippold Timotheos zugeschreiben: DLZ. 1927, 2258. Ders.,
PhW. 13, 1928, 402. Picard, REG. 41, 1928, 263 Anm. 2; 42, 1929, 73 f. Süsserott 134 f. — Brocklesby
Park. TI. 0,80 m. Kopf und Hals, r. Brust, r. Unterarm, Mittelfalte zwischen den Beinen, Füße mit
Plinthe ergänzt. Michaelis 233 Nr. 37. Text zu BrBr. 747/48 Abb. 1 (die von Ashmole dort in Abb. 2
wiedergegebene Statuette im Brit. Mus., A. H. Smith, A Cat. of Sculpt. Brit. Mus. III 206 Nr. 2077,
ist jünger und hat mit dem Typ Burlington-Brocklesby nichts zu tun).
 
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