Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IX. ABSCHREIBUNGEN

a) ORIGINALWERKE
Ein originaler Frauentorso in Kopenhagen (Abb. 57) ist von G. Lippold im An-
schluß an die Akroter-Reiterinnen von Epidauros als Werk des Timotheos erklärt wor-
den232. Die Vergleiche, die er in der Publikation bei BrBr. (664/65) mit der Nereide
in Venedig und der ‘Goethe-Tänzerin’ durchführt, sind ohne Belang insofern, als es
sich bei diesen Werken um eine hellenistische und um eine römische Neuschöpfung
handelt (vgl. unten).
Die wenig unterlebensgroße Statue war wegen der vernachlässigten Rückseite
ursprünglich sehr wahrscheinlich ein Tempelakroter. Wieder handelt es sich um eines
der halb entblößten Geschöpfe der See und der Winde, die aus dem Dunkel ihres
schattenden Mantels wie aus einer Muschel, der Aphrodite vergleichbar, hervortreten.
B. Ashmole hielt die »orientalisch üppige Saftigkeit« des Torsos mit den zarten
Gestalten aus Epidauros für unvereinbar233. F. Poulsen entschloß sich zu einer Da-
tierung in den Hellenismus.
In der Haltung zeigt die Figur zwar Anklänge an die Art des Timotheos: die
leichte Neigung nach vorn und das charakteristische Öffnen der Schenkel. Doch
erscheint alles eher nachgeahmt, nichts fließt aus erster Hand. Die Bewegung wirkt
gespreizt und unbeholfen. Es fehlt der einheitliche, belebende Schwung, der alle
timotheischen Gestalten beherrscht. Der Gewandstil mit den verkümmerten, metal-
lisch scharfen Faltengraten kann sich nicht aus dem der Leda, ‘Kassandra’ oder
‘Andromache’ heraus entwickelt haben.
In gleichem Sinne wie das Akroterfragment von der Athener Agora ein Frühwerk
war, ist diese unangenehm berührende Gestalt ein Spätwerk. Doch der Spätstil des
Timotheos sieht anders aus. Daß aber der Künstler des Kopenhagener Torsos in
jüngeren Jahren mit Timotheos in sehr enge Berührung gekommen sein muß, darf
man auf Grund der Darstellung sicher annehmen.
Wir könnten uns vorstellen, daß die Kopenhagener Akroterfigur ein Spätwerk
des Meisters der Westakrotere von Epidauros und damit des Architekten und Bild-
232 Ny Carlsb. Glypt. 397 a: G. Lippold, Antike Skulpt. der Glypt. Ny Carlsb. 13 Abb. 9. BrBr.
664/65. F. Poulsen, Cat. of Ancient Sculpt. in the Ny Carlsb. Glypt. Nr. 397 a. Ders., Graeske Original-
skulpturer Tat. 23. Nach Lippold »aus dem Pariser Kunsthandel, stammt jedoch aus Griechenland«;
nach Poulsen »found at Argolis«. H. 0,98 m. Griech. Marmor.
233 In BrBr. 747/48 Anm. 1.
 
Annotationen