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Schmarsow, August
Grundbegriffe der Kunstwissenschaft: am Übergang vom Altertum zum Mittelalter kritisch erörtert und in systematischem Zusammenhange dargestellt — Leipzig [u.a.], 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15210#0325
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Triumphbogen Konstantins — Systematisches Schema

zu den Figuren nicht im Verhältnisse tastbarer Verbindung, son-
dern in demjenigen optischer Isolierung untereinander. Die ein-
zelnen Figuren geben sich als kubische raumfüllende Körper, und
als solche müssen sie notwendigerweise vom freien Raum umflossen,
d. h. von komplementären Schatten eingerahmt sein." (R.) — Die
Einpressung in eine einzige gemeinsame Stoffschicht geschieht hier
natürlich in Rücksicht auf die Stelle, die den Reliefstreifen an den
geschlossenen Stirnflächen des Monumentes eingeräumt wird; aber
sie ist bezeichnend für die ganze Richtung.

Nur die weitere Konsequenz dieses Verfahrens spricht sich
auch in der Komposition aus, am stärksten in dem einen gerade
über dem seitlichen Torbogen angebrachten Relief mit der Ver-
teilung des Kongiariums. In der Mitte thront der Kaiser auf hohem
Podium und ganz von vorn gesehen, allein die volle Höhe der
Bildfläche einnehmend, während sie im übrigen ganz in zwei Ge-
schosse geteilt ist. Fast sämtliche Figuren unten sind dem Zentrum
zugekehrt. Das Obergeschoß aber zerlegt sich durch einfache oder
doppelte Pfosten in streng symmetrische Kompartimente, eine
breite Mittelloge, in die der Oberkörper des Kaisers als Trennungs-
glied hineinragt, und je zwei kleinere links und rechts. In der
Anordnung der Figuren herrscht wieder strikte Kongruenz oder
Responsion. Das Ganze bietet also eine starre systematische
Komposition, die sich über den einheitlichen Körpermaßstab der
plastischen Kunst von ehedem hinwegsetzt, um schematisch und
klar die Werte der Personen abzustufen. Freilich darf auch hier
der Zusammenhang mit der Gesamtkomposition des Triumphbogens
selbst nicht unbeachtet bleiben. Ebendieses gemeinsame Produkt
der Plastik und Architektur zeigt eine ebenso komplizierte syste-
matisch berechnete Anordnung nach den nämlichen Prinzipien.
Statt der organischen Schönheit, die an den Einzelbildungen schmerz-
lich vermißt werden mag, haben wir, wie Riegl mit Recht hervor-
hebt, eine andere Art von Schönheit, die er übereinstimmend mit
uns die kristallinische nennt, „weil sie das erste und ewigste Form-
gesetz der leblosen Materie bildet". Aber die treibende Kraft
dieses neuen Kunstwollens ist unleugbar das intellektuelle Wesen,
die Vergeistigung aller Kunst, der die Zukunft gehörte.1)

i) Es ist geradezu, als ob hier christliche Sarkophagbildncr mit aufgeboten
wären, den Triumphbogen Konstantins zu schmücken, so stark stimmt der Stil mit
dem gleichzeitigen jener überein.
 
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