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Schmarsow, August
Grundbegriffe der Kunstwissenschaft: am Übergang vom Altertum zum Mittelalter kritisch erörtert und in systematischem Zusammenhange dargestellt — Leipzig [u.a.], 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.15210#0327
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Komposition der Alexanderschlacht ^ 11

mußte, um all den verschiedenartigen Aufgaben der Verzierung zu
genügen.

Durchaus plastisch gesonnen bleibt noch ein gut Teil der
Malerei selbst in hellenistischer Zeit. Wenn die damalige Skulptur,
wie im Gigantenfries von Pergamon die Verstärkung der Relief-
höhe und der Schatten zwischen den vollgerundeten Körpern er-
strebt und die ganze Oberfläche in vorgewölbte Körperformen und
Schattenfurchen auflöst, so daß ihr Anblick sozusagen „die Tast-
organe des Beschauers in höherem Grade zum Greifen heraus-
fordert als alle früheren und späteren Skulpturen des Altertums" (R),
— so können wir uns nicht wundern, wenn dieser plastische
Drang auch in der Malerei noch lange seine Befriedigung sucht.
Werden die Figuren eines Bildes ebenso nahe aneinandergerückt,
daß kein offener Zwischenraum oder Hintergrund mehr freibleibt,
so entsteht bei gleicher Stärke der Modellierung durch Schatten
auch für das Auge ein geschlossener Gestaltungsraum nach Maß-
gabe dieses Körpergedränges, wie an den lebendigsten Sarkophagen
von Sidon im bemalten Relief.

Das großartigste Historiengemälde des Altertums, das — in
Mosaik übersetzt und zu einem Fußboden gemißbraucht — in
Pompeji auf uns gekommen ist, die Alexanderschlacht im Museum
zu Neapel, steht dieser Reliefkomposition noch ganz nahe, trotz
aller leidenschaftlichen Beweglichkeit, die es durchdringt. Rosse,
Reiter und Fußsoldaten sind zu kompakten Massen aneinanderge-
rückt, zum Teil in kühner Verkürzung gezeigt; aber jeder Körper
wird klar vom anderen geschieden und für sich energisch heraus-
modelliert. Der Zug der Bewegung geht fast durchweg von einem
Fnde zum anderen, obwohl der Eindruck der Gegeneinanderführung
in diagonaler Richtung versucht wird. So geraten auch der an-
stürmende Alexander, dessen Lanze einen persischen Satrapen
durchbohrt, und der fliehende Darius, der bei diesem Anblick er-
starrt, unwahrscheinlich nah aneinander; aber gerade hier ist die
Reliefkomposition gebrochen und die rechte Hälfte um das Stück
leeren Vordergrundes zurückgeschoben. Das ganz in Rückansicht
gesehene Roß, das dem Perserkönig an den Wagen gebracht wird,
soll den Raum wert erschaffen, der die beiden Gegner trennt. Nur
die vorgestreckten Lanzen rechts hinten und der kahle Baum, der
links hinter der Kämpfermasse aufragt, geben den Schein größerer
Raumtiefe. Aber das ist auch alles; selbst wenn wir statt des
weißen Grundes im Mosaik einen bewölkten Himmel im Original
 
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