nicht mehr in ihrer mythischen Mächtigkeit, sondern als Per-
sonifikationen, als Sinnbilder der Eigenschaften, die sie tragen,
endlich als Allegorien. Um sie zu beschwören bedarf es keines
Kultes, keines ehrfürchtigen Schauders, keiner Weihen . .
Alexander hat dem Phobos opfern können wie nach der Sage
schon Theseus.
Wie in der klassischen griechischen Philosophie ein mythi-
sches Empfinden noch überall durchdringt, so ist der Mythos
gerade durch die Philosophie seines ursprünglichen Lebens
gänzlich beraubt worden. Eigentümlich ist das Dasein, das die
Olympier in der späten Antike fortführen. Die Stoa hatte die
Volksreligion nicht vernichtet: es war leicht, die alten gött-
lichen Gestalten und Mythen allegorisch umzudeuten, als
Zeichen des Ueberwirklichen. Im Sichtbaren ist das ewige
Prinzip enthalten — auch Homer hatte die tiefsten Wahrheiten
nur in Gleichnissen auszusprechen gewagt.1) Daß jener Sinn
doch allein in jenen Gestalten Leben empfing, spürte man nicht
mehr. Die Idee war noch immer faßlich, als ihre Wirklichkeit
schon geschwunden war. Auch von hier begreift es sich, wie
leicht jetzt der griechische Mythos von dem römischen Geiste
übernommen werden konnte. Hier ward seine Umbildung
vollendet. Zur Verkörperung staatlicher Kräfte werden jetzt
die Gestalten der Theogonie. Die mythischen Mächte der Aeneis
führen das Weltreich herauf, in den Römeroden des Horaz sind
die Handlungen der Götter Sinnbilder zeitgeschichtlicher Be-
gebenheiten. Selbst dort wo sich die Begriffe an sich nicht zu
wandeln brauchten, sind sie in ihrem Wesen doch verändert.
Ehre und Tapferkeit, Concordia, Bellona haben auch die Römer
als Götter verehrt. Daß es nicht mehr die alten Wesen sind,
selbst wenn sie mit denselben Namen scheinbar wiederkehren,
wird jeder spüren. Im Griechischen schließt noch das Staat-
liche etwas Idealisch-Göttliches ein: für den Römer ist auch das
Transzendente dem Wesen nach „staatlich“. Gleichviel: die
Wandlungsfähigkeit war in dem philosophisch-spekulativen
*) Berühmt ist die allegorische Auslegung der homerischen Gedichte
von Herakleitos: 'HpaxXstTOu 'Optvjpixa TrpoßkiqpiaTa et? a 7vepl ttsöv
"O;j.7jpo? ^XXv)Ydpv]crev, aus augusteischer oder neronischer Zeit.
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sonifikationen, als Sinnbilder der Eigenschaften, die sie tragen,
endlich als Allegorien. Um sie zu beschwören bedarf es keines
Kultes, keines ehrfürchtigen Schauders, keiner Weihen . .
Alexander hat dem Phobos opfern können wie nach der Sage
schon Theseus.
Wie in der klassischen griechischen Philosophie ein mythi-
sches Empfinden noch überall durchdringt, so ist der Mythos
gerade durch die Philosophie seines ursprünglichen Lebens
gänzlich beraubt worden. Eigentümlich ist das Dasein, das die
Olympier in der späten Antike fortführen. Die Stoa hatte die
Volksreligion nicht vernichtet: es war leicht, die alten gött-
lichen Gestalten und Mythen allegorisch umzudeuten, als
Zeichen des Ueberwirklichen. Im Sichtbaren ist das ewige
Prinzip enthalten — auch Homer hatte die tiefsten Wahrheiten
nur in Gleichnissen auszusprechen gewagt.1) Daß jener Sinn
doch allein in jenen Gestalten Leben empfing, spürte man nicht
mehr. Die Idee war noch immer faßlich, als ihre Wirklichkeit
schon geschwunden war. Auch von hier begreift es sich, wie
leicht jetzt der griechische Mythos von dem römischen Geiste
übernommen werden konnte. Hier ward seine Umbildung
vollendet. Zur Verkörperung staatlicher Kräfte werden jetzt
die Gestalten der Theogonie. Die mythischen Mächte der Aeneis
führen das Weltreich herauf, in den Römeroden des Horaz sind
die Handlungen der Götter Sinnbilder zeitgeschichtlicher Be-
gebenheiten. Selbst dort wo sich die Begriffe an sich nicht zu
wandeln brauchten, sind sie in ihrem Wesen doch verändert.
Ehre und Tapferkeit, Concordia, Bellona haben auch die Römer
als Götter verehrt. Daß es nicht mehr die alten Wesen sind,
selbst wenn sie mit denselben Namen scheinbar wiederkehren,
wird jeder spüren. Im Griechischen schließt noch das Staat-
liche etwas Idealisch-Göttliches ein: für den Römer ist auch das
Transzendente dem Wesen nach „staatlich“. Gleichviel: die
Wandlungsfähigkeit war in dem philosophisch-spekulativen
*) Berühmt ist die allegorische Auslegung der homerischen Gedichte
von Herakleitos: 'HpaxXstTOu 'Optvjpixa TrpoßkiqpiaTa et? a 7vepl ttsöv
"O;j.7jpo? ^XXv)Ydpv]crev, aus augusteischer oder neronischer Zeit.
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