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Simson, Otto von
Zur Genealogie der weltlichen Apotheose im Barock besonders der Medicigalerie des P.P. Rubens — Leipzig, Strassburg, Zürich: Heitz & Co., 1936

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1. Teil: Darstellung des Menschen bis zur Renaissance
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2. Kapitel: Die Feier des Menschen in der Renaissance und die religiöse Bewußtwerdung des Individuums
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https://doi.org/10.11588/diglit.63507#0115
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dem Auferstandenen hernieder.1) Bis zu Michelangelo ist die
herrliche Komposition einsam geblieben, ein erster Ausdruck
für die religiös gerichtete Verherrlichung des menschlichen
Wesens.
Heute wird man in der Sakristei von S. Lorenzo die Ge-
stalt vermissen, die diesen Aufstieg der Seele sichtbar voll-
zieht. Allein die hohe und schmale Kuppel sollte das Bild des
emporgetragenen Ganymed schmücken.2) Ein Symbol für die
menschliche Seele ist Ganymed von jeher dem Christentum ge-
wesen. Schon Dante glaubt sich von einem Adler in die
Feuerzone des Himmels hinaufgerissen.3) Landino, der medi-
ceische Dante-Kommentator, nennt dann Ganymed ausdrück-
lich „l’humana mente, la quäl Giove cioe il sommo iddio ama“,
ein Beispiel für die christliche Umdeutung, aus der dem antiken
Mythos ein ganz neues Leben zuströmte. Sehr merkwürdig
aber ist ein Brief des Sebastiano del Piombo an Michelangelo
über die Ganymeddarstellung in der Sakristei. Der Papst ver-
lasse sich hinsichtlich der Arbeit an der Kuppelwölbung ganz
auf Michelangelo: „Dele volte ehe se ha da lavorare, ehe e nel
cielo della laterna nostro Signore se referisce a vui, ehe fate
far quello volete voi“. Man solle aber doch dem Ganymed
einen Heiligenschein geben „ehe paresse san Giovanni de l'Apo-
chalipse quande e furato in cielo“.4) Wichtiger als diese
Umwandlung der Mythologie ins Christliche ist hier für uns die
Versinnlichung des Menschen und seiner Kräfte in symbolischen
Zeichen, seine Verklärung in’s Mythologische. Die Erdenwelt
tritt zurück. Es ist als sei der Mensch seiner unermeßlichen'
Kraft sich bewußt geworden, aber — und hier vereinigt sich die
platonische mit der christlichen Weltfeindlichkeit — er vermag
sie nicht als für diese Erde bestimmt vorzustellen, noch sie in
diesem Leben zu verwirklichen. So eindrucksvoll jene Bildnisse

0 Tonskizze in London, South-Kensington-Museum; abgebildet bei
Burger a. a. O. Tafel IX.
2) Borinski geht im Einzelnen auf die Symbolik auch der Archi-
tektur ein.
3) Purg. IX, 19—41.
4) Brief vom 17. VII. 1533. Vergl. Milanesi, les Correspondents de
Michelangelo, I. Seb. del Piombo S. 106 ff.

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