H. van de Velde in Weimar, Vitrine für das Museum für Kunst und Industrie, Hamburg. Aus »Deutsche Kunst und Dekoration«;
Verlagsanstalt Alexander Koch in Darmstadt.
Faktoren eine unverhältnismäßig große Bedeutung zugesprochen hat. Sie
waren wie gesagt nicht die einzigen, die er für wichtig hielt, aber sie waren
die einzigen, die aus seinem Buche als wichtig und entscheidend hervortraten.
Und das wurde infolge seines Einflusses auf seine Zeitgenossen und Nach-
folger verhängnisvoll. Der große Fehler, den diese machten, war der, daß sie
auch in einer Zeit, als Sempers gesunde stilistische Grundsätze längst Gemein-
gut geworden waren, noch immer an seiner etwas einseitigen Formulierung
festhielten, ja daß sie sich allmählich geradezu gewöhnten, die Rücksicht auf
den Gebrauchszweck und das Material als die einzige oder wenigstens als
die eigentlich treibende Ursache für die Entstehung der dekorativen Kunst-
formen anzusehen. Und da das Handwerksmäßige, Aeußerliche, Greifbare für
die große Masse der Banausen immer leichter verständlich ist, als das Höhere,
Geistige, so war die Folge davon die, daß man über den praktischen Fak-
toren der Stilbildung, deren Einfluß ja nicht zu leugnen ist, die geistigen, die
doch schließlich den Ausschlag geben, immer mehr übersah.
Insbesondere wird von den Vertretern der materialistischen Anschauung die
Bedeutung des Materials sehr hoch angeschlagen. Ein Tongefäß, so sagen
sie, muß von Rechts wegen eine kugelige Form haben. Denn die Natur des
Tons als plastischen Materials und seine Verarbeitung mit der Hand oder
auf der Töpferscheibe führt von selbst zu einer runden Form. Ein Tongefäß
darf auch nicht plastisch reich verziert werden, denn die Prozesse des Bren-
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Verlagsanstalt Alexander Koch in Darmstadt.
Faktoren eine unverhältnismäßig große Bedeutung zugesprochen hat. Sie
waren wie gesagt nicht die einzigen, die er für wichtig hielt, aber sie waren
die einzigen, die aus seinem Buche als wichtig und entscheidend hervortraten.
Und das wurde infolge seines Einflusses auf seine Zeitgenossen und Nach-
folger verhängnisvoll. Der große Fehler, den diese machten, war der, daß sie
auch in einer Zeit, als Sempers gesunde stilistische Grundsätze längst Gemein-
gut geworden waren, noch immer an seiner etwas einseitigen Formulierung
festhielten, ja daß sie sich allmählich geradezu gewöhnten, die Rücksicht auf
den Gebrauchszweck und das Material als die einzige oder wenigstens als
die eigentlich treibende Ursache für die Entstehung der dekorativen Kunst-
formen anzusehen. Und da das Handwerksmäßige, Aeußerliche, Greifbare für
die große Masse der Banausen immer leichter verständlich ist, als das Höhere,
Geistige, so war die Folge davon die, daß man über den praktischen Fak-
toren der Stilbildung, deren Einfluß ja nicht zu leugnen ist, die geistigen, die
doch schließlich den Ausschlag geben, immer mehr übersah.
Insbesondere wird von den Vertretern der materialistischen Anschauung die
Bedeutung des Materials sehr hoch angeschlagen. Ein Tongefäß, so sagen
sie, muß von Rechts wegen eine kugelige Form haben. Denn die Natur des
Tons als plastischen Materials und seine Verarbeitung mit der Hand oder
auf der Töpferscheibe führt von selbst zu einer runden Form. Ein Tongefäß
darf auch nicht plastisch reich verziert werden, denn die Prozesse des Bren-
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