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Stuttgarter Mitteilungen über Kunst und Gewerbe — 1905-1906

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Eine schwäbische Hausindustrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.6371#0142
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D. Nr. 768.

EINE SCHWÄBISCHE HAUSINDUSTRIE.

Wer in den letzten Tagen des Jahres 1904 die "Weihnachtsausstellung im Landes-
gewerbemuseum besuchte, konnte unter den vielen schönen Spitzen französischen und
belgischen Ursprungs auch eine Arbeit aus "Württemberg finden. Freilich war es kein
Kunstwerk, was die Klöppelschule in Köngen a. N. ausstellte, sollte es auch nicht sein;
aber es konnte die Besucher daran erinnern, daß es auch eine Spitzenindustrie in
Schwaben gibt. Eine solche Erinnerung scheint nicht überflüssig zu sein, und Ein-
sender dieses möchte die Gelegenheit ergreifen, um einiges über die derzeitige Lage
dieser Industrie zu sagen und ein Wort für sie einzulegen.

Edle Menschenfreunde haben in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, als die Be-
völkerung unter Mifiwachs und Hagelschlag viel zu leiden hatte, das Spitzenklöppeln
in einigen Gemeinden am Neckar, an der „Albtraufe'* und auf der „Rauhen Alb"
eingeführt, um den Notleidenden Gelegenheit zu Nebenverdienst zu verschaffen. Ein
Kind der Not, befand sich diese Hausindustrie eigentlich nie in guten Verhält-
nissen, hat sich aber bis auf den heutigen Tag erhalten. Zwar wird ein Rückgang
konstatiert in den Dörfern, wo lohnender Verdienst in den Fabriken zu finden ist.
Aber in abgelegenen Orten mit vorwiegend kleinbäuerlicher Bevölkerung wird noch
fleißig geklöppelt. Wenn im Herbst die Feldarbeiten beendigt sind, fängt die Arbeit
am Klöppelkissen an. Wo noch Klöppelschulen vorhanden sind, wie in Köngen und
Beuren, beginnt der systematische Unterricht in der Schule. In den Alborten kann
man noch heute an schönen Frühlings- und Herbsttagen klöppelnde Frauen und Kinder
am sonnigen Plätzchen vor dem Hause sehen. An den Winterabenden versammelt
sich die reifere Jtigend in den sogenannten „Lichtkärzen", und beim Klang alter und
neuer Lieder regt man fleißig die Finger. Ist ein Stück Spitzen fertig, so wird er
von hausierenden Frauen in den benachbarten Städten abgesetzt, oder, was häufiger

Köngener Spitzen. D. Nr. 764.

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