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Stuttgarter Mitteilungen über Kunst und Gewerbe — 1905-1906

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Mayer, J.: Das neue Frauenkleid
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https://doi.org/10.11588/diglit.6371#0115
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als bei uns und es sind
dort in allen besseren
Konfektionshäusern Re-
formkostüme vorrätig zu
bekommen. Aber auch
in Deutschland ist ein
erfreulicher technischer
und künstlerischer Fort-
schritt zu verzeichnen.
Das phantastische Ge-
wand einerseits und die
Sack- und Büßergewän-
der andererseits sind ge-
fälligeren, weniger auf-
fallenden Formen ge-
wichen und es werden
jetzt Kleider gefertigt,
welche dem Körper Reiz
und Grazie verleihen, in-
dem sie den Körper-
linien folgen, oder die
Gestalt in weichen Fal-
ten umhüllen. Man hat

würfe in sachverständige
und technisch gut ge-
schulte Hände gelegt.
Die Kleider werden nicht
mehr nach einer Scha-
blone hergestellt, son-
dern nach dem Zwecke,
dem sie dienen sollen
und nach der Person,
die sie tragen soll. Man
hat sehen gelernt, man
bekämpft die Uebertrei-
bungen und Anmaßungen
der Mode und macht die
Hetzjagd, bei der eine
Verirrung und Torheit
die andere jagt, nicht
mit, ohne aber dabei
in den alten Fehler
zu verfallen, die Welt-
herrscherin Mode ganz
zu mißachten.* Man
betrachtet es vielmehr

j - * j. • c J 7- Dunkelgranes Velvetkleid mit Pelz- rti Ä« i__, j

die Aerzte gefragt und be*aU. Einsatzf dunkle stahlspitze mit Tiir. als ein Gebot der

die Künstler gehört und ^sste;nch,e": E"'"°rfe" und aus^fi^Trt v°" Klugheit, ihr insoweit

Else Raydt in Stuttgart. D. Nr. 774. ö

als dies mit den gesundheitlichen und künstlerischen Forderungen ver-
einbar ist.

In Stuttgart wurde im Herbst 1905 im königlichen Landesgewerbemuseum
von Freunden der Bewegung eine Ausstellung für gesundheitliche und künst-
lerische Kleidung veranstaltet, die den Zweck hatte, die Fortschritte auf diesem
Gebiete vorzuführen, ein Verständnis zu erwecken und insbesondere das Inter-
esse der Industrie zu gewinnen.

Die Ausstellung war außerordentlich reich beschickt; auch hervorragend
schöner, moderner kunstgewerblicher Schmuck, wie er sich zum neuen Frauen-
kleid vorzüglich verwenden läßt, war vertreten, ferner die ganze Skala der
Unterkleidung, die Seele der neuen Frauentracht; Turnanzüge für das neu
heranzubildende Geschlecht, gute Entwürfe und Ideen zur Krankenpflegerinnen-
kleidung, sogar das Zukunfts-Schuhwerk wurde gezeigt. Das ungewöhnliche
Interesse für das Vorgeführte erhellt am besten daraus, daß die Ausstellung
in 14 Tagen von ca. 30000 Personen besucht wurde.

Bevor ich auf die Besprechung einer Anzahl Kleider, die auf der Ausstellung
besonders Interesse erregten, eingehe, möchte ich noch einige praktische Winke
für Künstler und Kunstwerkstätten geben:

Ein Kleid für den korsettlosen Frauenkörper, das seinen Hauptstützpunkt
nicht mehr in der Taille haben darf, wird zweifellos am besten von der

* Vergleiche einen Aufsatz über Aesthetik und Mode von Karl Weitbrecht in den Mitteilungen
des Württembergischen Kunstgewerbevereins Heft 4—6, Jahrgang 1902 1903.

J. Mayer,
Das neue
Frauen-
kleid.

die Ausführung der Ent-

Rechnung zu tragen,

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