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Stuttgarter Mitteilungen über Kunst und Gewerbe — 1905-1906

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Mayer, J.: Das neue Frauenkleid
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https://doi.org/10.11588/diglit.6371#0119
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schwarzes Crepe de Chine-Kleid mit auswechselbarem Jäckchen. Das gold-
gestickte ausgeschnittene Leibchen verwandelt das hohe Kleid in ein prächtiges
Festgewand.

Große Erfolge hat ein in Berlin wohnendes Schwabenkind, Yella Lang-
Finkbein, mit ihren Bestrebungen, das Frauenkleid künstlerisch zu gestalten.
In ihren Entwürfen ist eine entschiedene Anlehnung an die Antike ausgesprochen.
Das Gewand Fig. 12 mahnt an klassische Vorbilder und umfließt in weichen
Linien den Körper. Ein Festkleid aus grauer Liberty-Seide mit Handstickerei und
Applikationen in lila und grün, das Leibchen aus lila Samt, weite wallende Aermel
vom Stoff des Kleides. Ein harmonisches Gewand von großem Farbenreiz.

Am reichsten, wohl auch am interessantesten war die Kunstwerkstätte von
Julie Lorenz und Marie Pose, München, vertreten. Von diesen Gewändern
schien eines das andere heben zu sollen, die Farben flössen förmlich in ein-
ander, lauter stumpfe, matte Töne von unaussprechlicher Schönheit. Das waren
keine Schablonenkleider! An jedem haftete das Persönliche. Ueber einem
fahlbräunlichen Seidenvoilekleid mit mattfarbenen Bändchenrosetten und weichem
Faltenwurf lag ein Hauch von Anmut und Unschuld; die rührende Einfachheit
erinnerte an die Zeit, in der der Großvater die Großmutter nahm; es wurde
in der Ausstellung Innocentia getauft.

Jugendlich frisch und anmutig wirkte ein anderes aus weißem Leinen, als
Gartenkleid gedacht, mit natürlichen unverkünstelten Linien, Fig. 15. Eine
feine ornamentale Verzierung in zartem Grün
und Bräunlich zieht sich als Kante um den
Halsausschnitt an der vorderen Mitte herunter
und um die untere Weite des Rockes und
als Abschluß des natürlich fallenden Aermels;
eine frühlingsgrüne Schärpe aus indischem
Musseline schmiegt sich um die Hüften und
ist im Rücken zu einer langen Schleife ge-
bunden. Fig. 13 zeigt ein Kleid aus stahl-
blauem Leinen mit reicher Kurbelstickerei aus
silberglänzender Waschseide. Das Ornament
ist sinnreich in der Komposition; es bildet am
oberen Teil des Kleides eine Patte, die sich
über die Schulter auf den Aermel, über Rücken
und Brust erstreckt, um in sanft geschwungenen
Linien sich am unteren Teil des Rockes keil-
förmig wieder zu verbreitern. Aus dem an
und für sich schlichten Gewände entstand
durch ein geschickt angewandtes Ornament
eine interessante Schöpfung. Durch diskrete
Verwendung von Orange an Halsausschnitt und
Aermel wird eine feine Farbenharmonie er-
zielt. Auf dem Kleid Fig. 14 ruht der
Glanz und Zauber vergangener Zeiten, es ist
eine Verschmelzung von Einst und Jetzt, die
auch in dem Material rotviolettes Tuch und
gleichfarbiger Samt - und in dem Hüftengürtel

J. Mayer,
Das neue
Frauen-
kleid.

Fig. 12. Festkleid aus grauer Liberty-Seide mit
Handstickerei in lila und grün. Leibchen aus
lila Samt. Entworfen von Yella Lang-Finkbein
in Berlin. D. Nr. 772.

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