H. Obrist, konfessionell gesprochen, glauben) sich in unvergleichlicher Aengstlichkeit nicht
Das Pro- entschließen kann, die Konsequenzen hieraus zu ziehen, ist nicht ein solches,
blem der das seine konfessionelle Formensprache resolut und frisch ändert. Nicht nur
modernen würde ein derartiges Denkmal jetzt auf keiner Konkurrenz die geringste Aus-
Plastik, sieht haben, sondern auch die Künstler selber, die solches erhoffen und ver-
künden, werden nicht gleich etwas schaffen können, das abgeklärt und ein-
wandsfrei genug wirken würde, um unbedingte Zustimmung zu finden. Auch
wir müssen uns erst entwickeln. Niemand weiß das besser wie wir. Nur
ein krittliger, ungeduldiger Geist wird verlangen, daß wir selber nun auch auf
der Stelle alles das, was wir hier vorahnend beschrieben, leibhaftig hinsetzen.
So wollen denn auch wir selber den Weg der Entwicklung gehen, der hier
geschildert wurde: beim einfach-notwendigen in der Plastik anfangend zum
künstlerisch belebten fortschreiten, damit wir in konzentrierter Arbeit unseren
Ueberschuß an Kraft, die Phantasie, auch richtig später zu verwerten lernen.
Langsam genug wird sich das Publikum und der Auftraggeber an die neue
Formensprache gewöhnen und langsam erst werden wir siegen. Und erst
wenn die Leibeskultur des neuen Geschlechts eine freie und ehrliche, eine
naive geworden sein wird, erst wenn die Bekleidungs- und Kostümfrage für
Weib und Mann gelöst sein wird, erst dann wird es eine wahre, ehrliche,
zeitentsprechende figürliche und Ideenplastik geben können. Vorher nicht.
Vorher wird alles immer nur eine Atelier-, Museums- und Salonkunst bleiben.
Arbeiten jedoch heißt es hier, nicht abwarten, bis es ein anderer tut, in
diesem Fall das Ausland, um es dann zu kopieren, ein Erbübel unseres
Volkes. Eine einzige Arbeit, mit ehrlichem Bemühen in diesem neuzeitlichen
Geiste geschaffen, ist kulturell und psychisch mehr wert als die schönste der
selbstredend einwandfreien Arbeiten nach „edlen Vorbildern". Und mag sie
unvollkommen sein. Es ist eine psychische Wertfrage, die hier ausgefochten
wird. Es handelt sich um nichts Geringeres als um die subjektive Gesundheit
und die Spann-Kraft des Künstlers, nicht um die objektive Zufriedenheit des
Bürgers mit einer sogenannten reifen Leistung. Diese Spann-Kraft des Künst-
lers kann nur durch die selbsttätige originale, schöpferische Arbeitsleistung,
nicht aber durch verständnisvolles Nachempfinden edler Vorbilder frisch er-
halten werden. Vor Gott und der Kultur gilt ein einziger aus eigener Kraft
sprießender Blütenkeim mehr als hundert Millionen Papierblumen. Und im
Keimen und Kämpfen soll unseres Volkes Kraft und Glück liegen, nicht im
poetischen Ausruhen auf dem bequemen Kissen einer Biedermeierstube.
Fanget an, so ruft der Lenz in den Wald. Der ruft nicht: redet, klagt, kon-
statiert, diskutiert, haltet Euch an den Herbst, an die Tradition, und wartet ab.
So helfet auch Ihr uns, verehrte Anwesende, indem Ihr zu verstehen und
zu hoffen sucht und, statt bloß zersetzender Kritik, uns Arbeit gebt.
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Das Pro- entschließen kann, die Konsequenzen hieraus zu ziehen, ist nicht ein solches,
blem der das seine konfessionelle Formensprache resolut und frisch ändert. Nicht nur
modernen würde ein derartiges Denkmal jetzt auf keiner Konkurrenz die geringste Aus-
Plastik, sieht haben, sondern auch die Künstler selber, die solches erhoffen und ver-
künden, werden nicht gleich etwas schaffen können, das abgeklärt und ein-
wandsfrei genug wirken würde, um unbedingte Zustimmung zu finden. Auch
wir müssen uns erst entwickeln. Niemand weiß das besser wie wir. Nur
ein krittliger, ungeduldiger Geist wird verlangen, daß wir selber nun auch auf
der Stelle alles das, was wir hier vorahnend beschrieben, leibhaftig hinsetzen.
So wollen denn auch wir selber den Weg der Entwicklung gehen, der hier
geschildert wurde: beim einfach-notwendigen in der Plastik anfangend zum
künstlerisch belebten fortschreiten, damit wir in konzentrierter Arbeit unseren
Ueberschuß an Kraft, die Phantasie, auch richtig später zu verwerten lernen.
Langsam genug wird sich das Publikum und der Auftraggeber an die neue
Formensprache gewöhnen und langsam erst werden wir siegen. Und erst
wenn die Leibeskultur des neuen Geschlechts eine freie und ehrliche, eine
naive geworden sein wird, erst wenn die Bekleidungs- und Kostümfrage für
Weib und Mann gelöst sein wird, erst dann wird es eine wahre, ehrliche,
zeitentsprechende figürliche und Ideenplastik geben können. Vorher nicht.
Vorher wird alles immer nur eine Atelier-, Museums- und Salonkunst bleiben.
Arbeiten jedoch heißt es hier, nicht abwarten, bis es ein anderer tut, in
diesem Fall das Ausland, um es dann zu kopieren, ein Erbübel unseres
Volkes. Eine einzige Arbeit, mit ehrlichem Bemühen in diesem neuzeitlichen
Geiste geschaffen, ist kulturell und psychisch mehr wert als die schönste der
selbstredend einwandfreien Arbeiten nach „edlen Vorbildern". Und mag sie
unvollkommen sein. Es ist eine psychische Wertfrage, die hier ausgefochten
wird. Es handelt sich um nichts Geringeres als um die subjektive Gesundheit
und die Spann-Kraft des Künstlers, nicht um die objektive Zufriedenheit des
Bürgers mit einer sogenannten reifen Leistung. Diese Spann-Kraft des Künst-
lers kann nur durch die selbsttätige originale, schöpferische Arbeitsleistung,
nicht aber durch verständnisvolles Nachempfinden edler Vorbilder frisch er-
halten werden. Vor Gott und der Kultur gilt ein einziger aus eigener Kraft
sprießender Blütenkeim mehr als hundert Millionen Papierblumen. Und im
Keimen und Kämpfen soll unseres Volkes Kraft und Glück liegen, nicht im
poetischen Ausruhen auf dem bequemen Kissen einer Biedermeierstube.
Fanget an, so ruft der Lenz in den Wald. Der ruft nicht: redet, klagt, kon-
statiert, diskutiert, haltet Euch an den Herbst, an die Tradition, und wartet ab.
So helfet auch Ihr uns, verehrte Anwesende, indem Ihr zu verstehen und
zu hoffen sucht und, statt bloß zersetzender Kritik, uns Arbeit gebt.
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