und einem Zehntel zu bewegen pflegen. Sieht man nur das Erdgeschoß eines H. Muthe-
englischen Grundrisses, so ist der Wirtschaftsteil nicht selten weit größer als der sius, Das
Wohnteil. In diesem verzweigten Wirtschaftsteile liegt das eigentliche Kultur- englische
Zeugnis, das uns aus dem englischen Hause anspricht. Während sich unsere Haus.
Wohnung in Repräsentationsräumen nicht genug tun kann und dabei der Wirt-
schaftsteil das kümmerlichste Dasein fristet, hat der englische Sachlichkeitssinn
richtig erkannt, daß das Behagen des Wohnens und die gesundheitlichen
Bedingungen des Hauses ihre Grundlage in dem wohlorganisierten und aufs
feinste durchgebildeten Wirtschaftsbetrieb haben. Wie der Mensch des
achtzehnten Jahrhunderts sehr viel Zeit auf Pudern und Schminken und seinen
von Stickerei strotzenden Anzug verwandte, dabei aber wenig badete, wie
sich der heutige Mensch ganz schmucklos kleidet, dafür aber täglich auf die
peinlichste Körperpflege bedacht ist, so äußert sich die englische Art zu
wohnen in der sorgfältigsten Beobachtung des Zuträglichen im Gegensatz zu
der kontinentalen, die leider noch stark auf dem Standpunkt des bloßen
Puderns und Schminkens steht. Es ist dem Engländer durchaus nicht gleich-
gültig, wo die Speisen, die auf seinen Tisch gelangen, aufbewahrt und zube-
reitet worden sind, und der Gedanke, daß seine Speisekammer nur durch eine
Rabitzwand vom nächsten Klosettraum getrennt sei ein tägliches Vorkommnis
in unserer Mietswohnung wäre ihm unerträglich. Daß die Köchin über
der Bratpfanne die Stiefel putzt und das schmutzige Geschirr zur Seite des
frisch angekommenen Fleisches aufgewaschen wird, sind für ihn barbarische
Zustände. Er setzt ferner voraus, daß seine Dienstboten nicht nur äußerlich
sauber auftreten, sondern daß sie auch baden und gesund schlafen. Die
englischen Dienstboten verlangen andererseits, daß sie nicht als der Herrschaft
verschriebene Leibeigene betrachtet, sondern als Menschen respektiert werden,
die neben den Pflichten auch Rechte, und zwar weitgehende haben. Alle
diese Erfordernisse bilden eine lange Kette von Bedingungen für den Wirt-
schaftsteil und führen zu den außerordentlich verzweigten Wirtschaftsräumen
des englischen Hauses.
Der Kernpunkt derselben ist schon in der englischen Auffassung der Küche
gegeben. Die Küche ist nach englischen Begriffen lediglich zum Kochen da,
keinesfalls der Ort, wo Reinigungsarbeiten verrichtet werden. Für diese ist
auch in den kleinsten Verhältnissen ein besonderer Raum neben der Küche
vorhanden, die Abwaschküche. Selbst in der Arbeiterwohnung kocht man
lieber in der Wohnstube, als daß man in der Küche Reinigungsarbeiten ver-
richtete. Als Aufbewahrungsort für Speisen ist stets eine besondere Fleisch-
kammer vorhanden, getrennt von dem Aufbewahrungsort für Geschirr, Konserven,
Kolonialwaren usw., die in einer zweiten, „pantry'' genannten Kammer unter-
gebracht sind. Küche, Abwaschküche, Fleischkammer und Geschirrkammer
werden als unerläßlich betrachtet, selbst in Wohnungen, die nur drei Wohn-
zimmer und einige Schlafzimmer haben, also in einer nach unseren Begriffen
kleinen Wohnung. Wird das Haus größer, so daß etwa vier Dienstboten ge-
halten werden, so wächst die Anzahl der Wirtschaftsräume sofort auf das
Doppelte und mehr an. Vor allem wird dann ein gemeinschaftlicher Eß- und
Aufenthaltsraum für die Dienstboten nötig, ..servants-hair* genannt. Die Vor-
ratsräume vermehren sich auf drei oder vier und außerdem treten besondere
Räume für einzelne Putzarbeiten, für Lampen, Stiefel usw. auf. In einem
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englischen Grundrisses, so ist der Wirtschaftsteil nicht selten weit größer als der sius, Das
Wohnteil. In diesem verzweigten Wirtschaftsteile liegt das eigentliche Kultur- englische
Zeugnis, das uns aus dem englischen Hause anspricht. Während sich unsere Haus.
Wohnung in Repräsentationsräumen nicht genug tun kann und dabei der Wirt-
schaftsteil das kümmerlichste Dasein fristet, hat der englische Sachlichkeitssinn
richtig erkannt, daß das Behagen des Wohnens und die gesundheitlichen
Bedingungen des Hauses ihre Grundlage in dem wohlorganisierten und aufs
feinste durchgebildeten Wirtschaftsbetrieb haben. Wie der Mensch des
achtzehnten Jahrhunderts sehr viel Zeit auf Pudern und Schminken und seinen
von Stickerei strotzenden Anzug verwandte, dabei aber wenig badete, wie
sich der heutige Mensch ganz schmucklos kleidet, dafür aber täglich auf die
peinlichste Körperpflege bedacht ist, so äußert sich die englische Art zu
wohnen in der sorgfältigsten Beobachtung des Zuträglichen im Gegensatz zu
der kontinentalen, die leider noch stark auf dem Standpunkt des bloßen
Puderns und Schminkens steht. Es ist dem Engländer durchaus nicht gleich-
gültig, wo die Speisen, die auf seinen Tisch gelangen, aufbewahrt und zube-
reitet worden sind, und der Gedanke, daß seine Speisekammer nur durch eine
Rabitzwand vom nächsten Klosettraum getrennt sei ein tägliches Vorkommnis
in unserer Mietswohnung wäre ihm unerträglich. Daß die Köchin über
der Bratpfanne die Stiefel putzt und das schmutzige Geschirr zur Seite des
frisch angekommenen Fleisches aufgewaschen wird, sind für ihn barbarische
Zustände. Er setzt ferner voraus, daß seine Dienstboten nicht nur äußerlich
sauber auftreten, sondern daß sie auch baden und gesund schlafen. Die
englischen Dienstboten verlangen andererseits, daß sie nicht als der Herrschaft
verschriebene Leibeigene betrachtet, sondern als Menschen respektiert werden,
die neben den Pflichten auch Rechte, und zwar weitgehende haben. Alle
diese Erfordernisse bilden eine lange Kette von Bedingungen für den Wirt-
schaftsteil und führen zu den außerordentlich verzweigten Wirtschaftsräumen
des englischen Hauses.
Der Kernpunkt derselben ist schon in der englischen Auffassung der Küche
gegeben. Die Küche ist nach englischen Begriffen lediglich zum Kochen da,
keinesfalls der Ort, wo Reinigungsarbeiten verrichtet werden. Für diese ist
auch in den kleinsten Verhältnissen ein besonderer Raum neben der Küche
vorhanden, die Abwaschküche. Selbst in der Arbeiterwohnung kocht man
lieber in der Wohnstube, als daß man in der Küche Reinigungsarbeiten ver-
richtete. Als Aufbewahrungsort für Speisen ist stets eine besondere Fleisch-
kammer vorhanden, getrennt von dem Aufbewahrungsort für Geschirr, Konserven,
Kolonialwaren usw., die in einer zweiten, „pantry'' genannten Kammer unter-
gebracht sind. Küche, Abwaschküche, Fleischkammer und Geschirrkammer
werden als unerläßlich betrachtet, selbst in Wohnungen, die nur drei Wohn-
zimmer und einige Schlafzimmer haben, also in einer nach unseren Begriffen
kleinen Wohnung. Wird das Haus größer, so daß etwa vier Dienstboten ge-
halten werden, so wächst die Anzahl der Wirtschaftsräume sofort auf das
Doppelte und mehr an. Vor allem wird dann ein gemeinschaftlicher Eß- und
Aufenthaltsraum für die Dienstboten nötig, ..servants-hair* genannt. Die Vor-
ratsräume vermehren sich auf drei oder vier und außerdem treten besondere
Räume für einzelne Putzarbeiten, für Lampen, Stiefel usw. auf. In einem
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