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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0069
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2. Die ältere Düsseldorfer Schule.

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gemälde im Schauspielhause und die drei christlichen Tugenden in der Werderschen Kirche die
bedeutendsten waren. Schadow war keine energische, originelle Kraft, aber als Lehrer übertraf
er weitaus seine Genossen, wie der Aufschwung der Düsseldorfer Akademie unter seiner Leitung,
ehe sie sich einem frömmelnden Mystizismus ergab, offenbarte. Mehrere Schüler folgten ihm
von Berlin nach Düsseldorf und ordneten sich auch hier willig seiner ferneren Fühlung unter,
obschon sie alle schon selbständige Werke geschaffen hatten und der strengen Schule entwachsen
waren. Sie arbeiteten gemeinsam in den Räumen der Akademie, wurden aber keine Kloster-
brüder, sondern recht lebensfrohe Kameraden, an denen der Vater Rhein wieder einmal seine
Zaubermacht erprobte.
Nachmals traten auch die üblen Folgen des engen Zusammenhausens an den Tag. Die
Gewohnheit engster nachbarlicher Tätigkeit förderte die Neigung, auch Stimmungen, Gedanken,


51. Familienbild, von Carl Begas. Berlin, Privatbesitz.
(Phot, der Berlagsaristalt Bruckmann A.-G.)

technische Vorgänge freundschaftlich auszutauschen. Die Genossen bildeten eine kleine abgeschlossene
Welt für sich, schwärmten für die gleichen poetischen Ideale und dieselben Modelle und Farben.
Natürlich kam die Individualität des Einzelnen nicht zu ihrem vollen Recht, und da die
Phantasie der Künstler nur wenig von dem wirklichen großen Leben berührt wurde, so fehlte
in der Regel ihren Darstellungen die frische Kraft und die volle Wahrheit. Sie begnügten
sich mit der Zeichnung von abstrakten Gestalten, Königen, Hirten, Räubern, die keiner bestimmten
Zeit und keinem festen Raume angehörten, sie wagten sich in der Wiedergabe der Empfindungen
nicht über einen engen Kreis schüchterner Fröhlichkeit, stiller Trauer hinaus. Alles Stürmische,
Leidenschaftliche, Mächtige betrachteten sie mit ängstlicher Scheu, als fürchteten sie, die Sauber-
keit und Sittsamkeit der Gesinnung durch den Eintritt in eine wildbewegte, energisch kämpfende
Welt zu trüben.
So allgemein bis zum Verschwommenen die Charaktere und die Empfindungen gefaßt
werden, ebenso allgemein ist die Farbe gehalten. Sie strebt das Zierliche und Gefällige, das
Springer-Osborn, Kunstgeschichte. V. 5. Aust. 4
 
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