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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0090
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68

Zweiter Abschnitt: 1819—1850.

Erst nach Schinkels Tode, während der Negierung König Friedrich Wilhelms IV., begann
die reichste Bautätigkeit in Berlin. Bei kirchlichen Anlagen hatte bereits der Meister selbst
keinen einheitlichen Typus festgehalten. Gewiß entsprach seinem Sinne die Form eines Kuppel-
baus, mit dem antike Elemente organisch verbunden werden können, am meisten; doch fühlte er
auch die Berechtigung des gotischen Stils im Kirchenbau und huldigte ihm in der Werderschen
Kirche. Schinkels Nachfolger und Schüler versuchten sich in einer noch größeren Mannigfaltig-
keit der Bautypen; neben (wenig glücklichen) Werken im gotischen Stile erblicken wir auch

Anlagen romanischen Charakters, versetzt mit


altitalienischen oder mit Renaissance-Formen und
durch Kapellenbauten belebt. Hier hemmte eben
die verschiedenartige Tradition den einheitlichen
Ausdruck; dagegen wurde bei jüdischen Kultus-
anlagen nach einer aufsallend weit verbreiteten
Konvention der orientalisierende, byzantinisch-
maurische Synagogentypus beliebt. Jedenfalls
entfaltete sich der Profanbau freier und reicher.
Mochte auch in einzelnen Fällen die Dürftig-
keit des Materials zu allerhand Kunststücken
verleiten, um sie zu verbergen, und sich eine
Scheu vor dem Kräftigen, Vollen offenbaren,
so besitzt doch Berlin auch aus jener Zeit
einzelne stattliche, gediegene Werke, unter
denen Hitzigs Börse mit ihrem offenen Säulen-
gang besonders hervorragt (Abb. 70; s. u.).
Namentlich im Villenbau entfaltete Schinkels
Schule einen glücklichen Sinn für feine
Gliederung, sinnige Anordnung der Räume
und malerische Einordnung in die landschaft-
liche Umgebung.
Wäre es stets nach Schinkels Intentionen
gegangen, so würden die Freiheitskriege in der
Darstellung seiner künstlerischen Wirksamkeit eine
große Rolle spielen. Denn als höchstes Ziel
schwebte seiner Phantasie die Verherrlichung der

75. Kranzspendende Viktoria, von Chr. Rauch.
(Aufnahme der Photograph. Gesellschaft, Berlin)

Siege durch großartige architektonische Denk-
mäler vor. Was ihm das neidische Schick-
sal nicht vergönnte, das spendete es im reichsten
Maße Christian Rauch, der mit Recht als der Herold des preußischen Heldenkultus gepriesen
wird. Nicht auf glatten, ebenen Bahnen verlief Rauchs Jugendentwicklung. In seiner Waldeck-
schen Heimat konnte er sich nur die Handwerksseite seiner Kunst aneignen. Mehrere Jahre
sodann wurde er ihr durch den Lakaiendienst am preußischen Hose fast vollständig entzogen.
Endlich 1803, nachdem er das fünfundzwanzigste Jahr bereits überschritten hatte, durste er die
Skulptur als ausschließlichen Lebensberuf begrüßen. Rauch eilte nach Rom, um hier seine
künstlerische Ausbildung zu vollenden. Der Verkehr mit Wilhelm von Humboldt hob Herz und
Verstand, das Studium der Antike entwickelte rasch seinen Formensinn, der sich freilich zunächst
nur an kleineren Büsten und an Reliefs bewähren konnte. Da traf ihn (1811) ziemlich un-
erwartet, denn auch an Canova und Thorwaldsen war anfangs gedacht worden, der Auftrag,
 
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