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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0096
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Zweiter Abschnitt: 1819 — 1850


80. Das Notfloß der Fregatte Medusa, von Th. Gsricault. Paris, Louvre.

bewegung, die gleichfalls der lebendigen Packenden Wahrheit und der ungeschminkten Natürlich-
keit als dem wichtigsten Kunstprinzip huldigte.
Es gärte schon längere Zeit in den französischen Kunstkreisen. Wenn selbst Napoleon
auf der Höhe feiner Macht nicht imstande war, die Regungen der politischen Opposition völlig
zu unterdrücken, so vermochte die offizielle Kunst (und Literatur) noch weniger den Widerstand
zu brechen, der sich allmählich gegen sie sammelte. Die religiösen Empfindungen und die
Erinnerungen an die Vergangenheit, lange unterdrückt und durch die gewaltigen Ereignisse der
Gegenwart vergessen, brachen sich wieder Bahn. Zunächst nur leise und schüchtern. Franyois
Marius Grauet (1775—1849), viele Jahre in Rom ansässig, wagte in seinen beliebten Archi-
tekturbildern religiöse Gestalten wenigstens als Staffage zu verwenden. Mit dem Wechsel des
politischen Regiments gewann die neue Richtung größeren Spielraum, zunächst in südsranzösischen
Provinzen (Schule von Lyon), wo die Restauration überhaupt leidenschaftliche Anhänger fand.
Auch das seit Davids Triumph geringgeschätzte Genrebild kam wieder zu Ehren. Wenigstens in den
Gegenständen erinnert P. E. Destouches (1794—1874) an Greuzes Schilderungen (Abb. 78).
Xavier Sigalon (1788—1837), später vollständig im Fahrwasser der Romantiker segelnd, knüpfte
in seinem ersten Bilde, der „Kurtisane", deutlich an die italienischen Naturalisten des siebzehnten
Jahrhunderts an. Der Hauptschlag konnte natürlich nur in Paris geführt werden.
Der erste Maler, der hier mit der klassischen Überlieferung offen brach und die Malerei
in neue Bahnen lenkte, war Theodore Gericault (1791 —1824). Pferde und Soldaten
hatten schon die Phantasie des Knaben erfüllt, mit Neiterfiguren war er zuerst (1812 und 1814)
als Maler von glänzender Begabung für den farbigen Ausdruck aufgetreten (Abb. 79). Den
Aufenthalt in Rom (1817) benutzte er, um die älteren Meister zu studieren und zu ergründen,
wie große Kompositionen angelegt werden müssen. Doch versäumte er darüber nicht die alte
 
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