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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0149
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1. Das moderne Programm.

125

daß in dieser letzten Phase der modernen Kunst die Deutschen, oder weiter gefaßt: die ger-
manischen Völker, ein gewichtiges Wort mitsprachen.
Es ist natürlich, daß alle diese Etappen der jüngsten Entwicklung nicht in korrekter Folge
einander ablösten. Die Ströme ziehen in Vielsachen Windungen, Berührungen, Kreuzungen an
unserem Auge vorüber, und ein fugenmäßiges Einsetzen läßt die verschiedenen Varianten der
großen modernen Melodie in immer neuen Akkordgruppierungen zusammenklingen. Das tönt
bald wohlgefälliger, bald schriller und in herben Dissonanzen; die lösende Endharmonie kann
erst die Zukunft bringen. Dem historischen Betrachter aber, der Klarheit über den Verlauf der
Linie sucht, die eiustens dorthin führen wird, stellen sich noch andere Elemente der Verwirrung
entgegen. Denn auch die kraftvollen Gegenströmungen dürfen nicht übersehen werden, die zähen
retardierenden Mächte, die immer wiederkehrenden Versuche des deposfedierten Renaissance-
gedankens, sich der verlorenen Herrschaft aufs neue zu bemächtigen. Das alles ergibt ein
unrnhevolles Bild des Kampfes, dem aber wahrlich auch die Frische und der Glanz nicht fehlen,
die dem Krieg der Geister mit feiner Anspannung und Entfaltung aller Kräfte eignen.

2. Die englische Dialerei als Bahnbrecherin.

Die drei großen Maler, die der englischen Kunst des achtzehnten Jahrhunderts ihr
Gepräge gaben: William Hogarth, Joshua Reynolds und Thomas Gainsborough, vereinigten
bereits in ihren Werken die Wurzeln der kommenden Bewegung. Sie selbst fühlten sich keines-
wegs als Reformatoren oder gar Revolutionäre. Traditionen der niederländischen Kunst, Einflüsse
der gleichzeitigen französischen Malerei sind
in ihren Werken deutlich erkennbar, und
bewußt bildete sich Reynolds an der un-
vergänglichen Schönheit der alten Meister
von Tizian bis Rubens und van Dyck.
Dennoch lebt in ihnen nicht nur ein Ab-
glanz des Vergangenen, sondern zugleich
auch ein Vorklang des Zukünftigen. Ge-
meinsam ist allen dreien ein Streben
nach ernster Wahrheit und schlichter Ein-
dringlichkeit, und in der Art, wie sie es
betätigten, erkennen wir Menschen der
neuen, bürgerlichen Zeit. Im Porträt
trafen sie sich. Reynolds setzt seine ganze
Kraft dafür ein, die Menschen seiner
Epoche in ihrem tiefsten Wesen zu er-
fassen und darzustellen. Hogarth geht
von diesem Treffpunkt zur realistischen
Darstellung des zeitgenössischen Lebens,
Gainsborough zur intimen Schilderung
der einheimischen Landschaft weiter. Und
Gainsborough wie Hogarth bringen in
ihre Werke schon eine Zartheit und
Helligkeit der Farbe und des Lichts, eine .
? 180. Du Badende, von W. Etty. London, Täte Gallery
Frische und Ungezwungenheit des male- (Phot. Hanfstaengl)
 
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