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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0180
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Dritter Abschnitt: 1850—1870.

deutendsten seiner gleichstrebenden Freunde, und es war den jungen Franzosen, die diese Werke
bewunderten, als seien sie Plötzlich sehend geworden. Dem stillen Streben einiger weniger
Künstler, die sich während der klassisch-romantischen Epoche in die einfachen Schönheiten der
heimischen Natur versenkt und bei diesen redlichen Bemühungen ebensowenig ein Echo gefunden
hatten wie ihre schlichteren Gesinnungsgenossen in Deutschland, erstand hier mit einem Schlage
eine mächtige Hilfe. Nur ein kleiner Kreis von Kennern hatte sich um die Schöpfungen der
Georges Michel (1763 —1843), Andrs Jolivard (1787 —1851), Paul Huet (1804
—1869) und ihrer Genossen, wie Camille Flers (1802—1868) oder Louis Cabat (1812
—1893) bekümmert, die, gestützt auf ein erneutes Studium der alten Niederländer, die nord-
französischen Ebenen und Küsten, die sanften Höhen und Waldungen des Montmartre und der


161. Das Tat von Tiffauge, von Th. Rousseau.

sonstigen Umgebung von Paris malten, in der schon damals der Wald von Fontainebleau wieder
eine Rolle zu spielen begann. Nun aber ward durch Constables Vermittlung die Linie von den
Holländern her weiter gezogen, in das Neuland der modernen Natnranffassung hinein, die im
innigeren Verstehen der geheimen Regungen des Lichtes und der Luft und im tieferen Erfühlen
der Landschaftsstimmnng eine vordem ungeahnte malerische Poesie fand. Es beginnt die große
Zeit des intime", die einen Umschwung in der Kunstauffaffung der ganzen Welt mit
sich bringen sollte.
Das Neue, das hier auftritt uud alsbald in den Werken der Meister von Barbizon, also
der Corot, Rousseau, Dupre, Diaz, Daubigny, Millet seiuen gewaltigen Ausdruck fand, war
ein Verhältnis zur Natur, wie es frühere Jahrhunderte nicht kannten. Es ist ost darauf hin-
gewiesen worden, wie seltsam und wie verständlich es doch wieder ist, daß gerade das Zeitalter
der Riesenstädte eine Liebe zur unberührten Gotteswelt und in der Kunst einen leidenschaft-
lichen Hang zur Landschaftsmalerei hervorgebracht hat wie nie zuvor. Gerade die in den engen
Kerker wirrer Häusergebirge verbauute Kulturmenschheit sehnt sich mit verdoppelter Luft in die
 
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