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AUS DER ZEICHNUNGENSAMMLUNG DER FÜRSTIN KAROL1NE SAYN-
WITTGENSTEIN.
Das ruhelose Durcheinander, das heute allen Kunstbesitz aufwühlt und
knetet, ist ja an sich gar unerquicklich, hat aber auch Gutes an sich. Ver-
steckte, geradeswegs verschollen geglaubte Kunstwerke kommen dadurch ans
Tageslicht; sie werden so dem Studium und dem Genuß zugänglich. Sehen
wir doch die Sache zunächst von der freundlichen Seite an, denn die
unfreundliche Kehrseite ist ohnedies nicht zu übersehen.
Die versteckt gewesene Sammlung Sayn-Wittgenstein ist auf alle Fälle
Etwas ganz Besonderes, Etwas, das aus Kunstliebe zusammengetragen wurde,
etwas, das zumeist aus dem persönlichen Verkehr mit den Künstlern selbst
hervorgegangen ist. Viele der Blätter kamen unmittelbar vom Künstler an die
Fürstin, und so fällt fast bei allen die Sorge weg, ob denn die Dinger auch
echt sind, eine Sorge, die in den meisten anderen Sammlungen gar oft eine
reine Freude nicht aufkommen läßt. Bei den alten Meistern in der Sammlung
Sayn-Wittgenstein steht die Sache naturgemäß anders. Eine kritische Prüfung
ist bei diesen unerläßlich, aber viele Blätter haben die Prüfung bestens be-
standen. Vor kurzem ist ein großes Verzeichnis für die bevorstehende Ver-
steigerung durch Emil Hirsch in München hergestellt worden. Viele Ab-
bildungen zieren das bemerkenswerte Buch, dem ein sachliches, fesselndes
Vorwort von Dr. Eberh. Hanfstaengl noch weiteren Wert verleiht. Sammler
und Gelehrte, die sich mit Zeichnungen beschäftigen, werden sich um den
Besitz dieses Verzeichnisses bewerben müssen. Es beschreibt in eingehender
Weise 460 Blätter verschiedener Technik und verschiedenen Alters. 64 Tafeln,
darunter viele mit je zwei Abbildungen, geben einen Begriff von den künst-
lerischen Schätzen, die hier beisammen sind. Da gibt es alte Holländer,
Flandrer, Italiener, Deutsche, Franzosen (ein echt signierter Oudry und ein
Es. v. d. Velde, ein Cambiaso und Delacroix werden anbei abgebildet). Der
Hauptstock der Sammlung besteht aber aus Blättern der Nazarener, mit
denen die Fürstin in Italien befreundet war, und aus Künstlern des weiteren
Weimarer Kreises aus der Zeit der Verbindung mit Franz Liszt. Vertreten
sind auch belgische Koloristen und damit verwandte österreichische Meister.
Mit geringen Ausnahmen von Blättern, die augenscheinlich durch etwas zu-
dringliche Künstler der Fürstin aufgenötigt worden sind, hat man es der
Reihe nach mit Arbeiten hohen Ranges zu tun. Nur die lange Serie der aus-
erlesenen Erfindungen von B. Genelli allein würde den Namen einer her-
vorragenden Sammlung verdienen. Was dann noch von dem Widersacher
Genellis, W. v. Kaulbach, und von ganzen Scharen frommer Maler, mit
Schnorr, Führich, Overbeck darunter, vorhanden ist, läßt sich nicht in wenigen
Worten andeuten. Vom alten Jos. Ant. Koch sind drei sehr bemerkenswerte
Arbeiten da, eine Landschaft von 1792, ein Blatt zu Dantes Hölle und eine
skizzierte Darstellung aus der Argonautensage. Eine Zeichnung, so vorzüg-
lich wie selten eine andere, aus der besten Zeit Karl Friedrich Lessings:
Des Kreuzritters Wacht in der Wüste, ist hervorzuheben. (Sie ist eigenhändig
unterfertigt und mit Zeitangaben versehen: „C. F. L. Octbr 1835“ und „Dcbr
1834“, wobei die letzgenannte Jahreszahl sich wohl auf den Beginn oder
auf den Gedanken zur Zeichnung bezieht.) Es wäre des Aufzählens kein
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