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der Erclschätze verlobt worden, weil er von allen Unsterblichen allein ehelos in der Tiefe lebte. Ihre
Gespielinnen, die zaubernden und einschläfernden Sirenen, Bestricherinnen, welche den Raub nicht ver-
hindert, sondern spätes, eiteles Wehegeschrei erhebend, sich Flügel zum Nacheilen gewünscht hatten,
empfingen als personificirte Todtenhlagen die Vogel- oder Manengestalt von den Göttern, oder zur Strafe
von Demeter selbst, und flohen auf öde, lautumrauschte Meeresklippen, wo sie vorbeifahrende Schiffer
durch ihre sanften Klage- und Thränenlieder anlockten, fesselten und in Wehmuth und Heimweh allmählig
verschmachten liessen, so dass von gebleichten Menschengerippen und zerfallenen Gebeinen die Klippen
weiss erschienen. Dort weilten sie zur Zeit der Argofahrt, den Heros Butes, Rinderhirt verlockend,
welchen aber Aphrodite rettete, und zur Zeit der Irrfahrt des Odysseus, bis bei ersterer Orpheus, der
Lehrer der bacchischen Weihen und der Unsterblichkeit, mit Leierspiel und Gesang ihre Klagelieder über-
tönend, sich nebst seinen Gefährten unhörbar gemacht, und bei zweiter Odysseus durch Klugheit und List
ihrem Zauber widerstanden hatte; da sie denn in Verzweiflung über die Unwirksamkeit desselben sich ins
brausende Meer stürzten und von endlosen sehnsüchtigen Wogen fortgezogen oder in die grabstelenför-
migen, Sireneninseln genannten Klippen bei Parthenope (Neapel) verwandelt wurden. Dennoch versicherte
man in späten Zeiten J), dass sie in Indien noch vorhanden wären und durch schmeichelnden Gesang die
Menschen einschläferten, um sie zu zerreissen. Die bekümmerte Demeter entschliesst sich endlich nach
langem vergeblichen Wandern und Suchen der verlorenen Kora, in Eleusis, dem Ankunftsorte, zu rasten.
Da sie bei Celeus gastliche Aufnahme findet, so erbietet sie sich zu Dank derselben, seinem jüngsten Sohne
Demophon oder Deiphontes Wärterinstelle zu vertreten, und will insgeheim mit läuternden Flammen der
Fackeln ihrem Pflegling Unsterblichkeit verleihen. Aber Neugier und Schreck der Eltern überrascht und
stört sie in Ausführung ihres Vorhabens; in Folge der Störung stirbt der Knabe bei der weihenden Feuer-
taufe, und sie kann ihn nur zur Heroenwürde erheben, welche fortan jedem Todten zu Theil wird, sobald
der flammende Scheiterhaufen die Schlacken der Materie weggebrannt. Nachdem die Göttin bei diesem
Ereigniss sich selbst den Menschen offenbart, erfährt sie von ihnen den im Lande befindlichen Ort der
Hinabfahrt ihrer Tochter, aus dem sie ihren verborgenen Aufenthalt erräth. Nun sinnt sie auf andern
Lohn für ihre Bewirther wie für die gesammten Erdbewohner, und weiss ihn mit Erreichung ihres müt-
terlichen Wunsches und Zweckes zu vereinigen. Hatte sie zuvor insgeheim das ewige Heil der Sterblichen
bereitet, so schafft sie jetzt öffentlich das zeitliche Heil derselben. Sie lehrt die Menschen das Getreide
kennen und bauen, bringt als Thesmophoros ihnen die ersten agrarischen Satzungen, zu denen die Bestat-
tung der Todten und unter dem Bilde der zusammengejochten Ackerrinder das Ehebündniss gehört, und
sichert also Recht und Besitz im Leben und Tode. Sie gründet ihren Geheimdienst im Lande, indem sie
den Mann des Werdens, Phytalos, in der Zucht des Feigenbaums unterweist, dessen süsse weichliche
Frucht, ein weibliches Geschlechtssinnbild, ihr als Erdmutter, als weiblichem Naturprincip, geweiht ist.
Insbesondere schenkt sie ihr Vertrauen des Celeus ältestem Sohne, dem Dreifurcher Triptolemos, der drei-
mal das Feld beackert, reicht ihm Waizenkörner und sendet ihn auf einem Flügelwagen als Sämann durch
die Welt umher, mit der Aussicht, die Wiederkunft ihres Kindes zu bewirken. So heitre Gedanken
belebten und verjüngten die Gestalt der Mutter; Demeter erscheint als Chloe, die Grünende, und auch als
Anesidora die Gabenemporsenderin. Bald keimen die gesegneten Gefilde, bald schwellen sie von Fülle
gelber Aehren, das spriessende Saatkorn drängt sich wieder hervor, und die Göttin erfreut sich des An-
blicks ihrer Tochter wieder. Aber nicht lange währt der Aufenthalt des geliebten Kindes im Mutterhause.
Denn die Wiedergewonnene hatte heimlich in der Unterwelt ein Korn von der vielkörnigen Granate, dem

1) PUn. Hist. nat. X. §. 70.
 
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