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der es gelang, so manches vor den zerstörenden und wieder umschaffenden Menschen zu verbergen. Die
Bestimmung der Pflichten, welche die Ueb erleb enden gegen die Entschlafenen zu beobachten hatten,
machte einen wesentlichen Theil der ältesten Gesetzgebung aus; hieran knüpften sich Verwandtschafts-
grade, Erbschaftsrechte und die Vernachlässigung des regelmässigen Todtendienstes konnte den Verlust
derselben bewirken *). Sichtlich waltete aber auch ein eignes Geschick über die alten Gräber. Die Mitgift
der Todten sollte erst ihre volle Bestimmung erreichen, indem sie als eine Verlassenschaft derselben auf
die Nachwelt kam, und dieser die Fähigkeit lieh, mit Sehergeist die umdunkelte Vergangenheit zu lichten,
wie die Vorwelt die Zukunft gelichtet. Das Geheimniss der Denkmäler fing an sich der Welt aufzu-
schliessen. Die Fesseln der Altklugheit und pedantischer Wortklauberei begannen vor der überzeugenden
Wirklichkeit und der tieferen Einsicht zu weichen, und eine grossartige poetische Auffassung trat an die
Stelle der kleinlichen Schriftgelahrtheit, die über das Einzelne das Ganze zu beachten vergass. Auf den
Resten des Alterthums wurde eine eigene Wissenschaft gegründet, welche sich der Erdkunde und Geschichte
anschliesst; der classische Boden eröffnete unerwartete, ergiebige Fundgruben, nährte immer neuen Eifer
und Thätigkeit mit der Hoffnung, dass die Lücken der Kenntniss sich ausfüllen lassen. Und so ging in
der neuesten Zeit wieder ein wohlthätiger Einfluss auf den Ideenkreis der Menschen von den Gräbern der
Alten aus.
Das blühende, glückliche Italien, welches die Meisterwerke der Vorwelt in sich verschlungen,
darauf, was die alten Römer versäumt, selbstständig in der Kunst des Mittelalters geleistet, und seitdem
der Kunst und Wissenschaft einen allversammelnden und allerwärmenden Heerd bereitet hatte, lenkte
zuerst das Augenmerk auf seine unterirdischen Schätze ; hier begünstigte herrschender Sinn und Geschmack
die Nachgrabungen in Etrurien, Grossgriechenland und Sicilien, und längst bevor das von Barbaren über-
schwemmte, verwilderte Griechenland untersucht werden konnte, lieferten die Gräber in jenen alten Wohn-
sitzen griechischer Pflanzer und Auswanderer hinlänglichen Vorrath von Kunstwerken, um ganze Museen
zu errichten. Besondere Aufmersamkeit erregten die bemalten Vasen, deren mannigfaltige, öfters unge-
wöhnliche Bilder zum Nachsinnen reizten. Aus einer Masse >on Coiijecluren entwickelte sich im Ganzen
zwar ein klares Verständniss der vorkommenden Gegenstände, jedoch hinsichtlich ihres verschiedenen
Kunstwerthes und Kunststyls hat sich noch kein gehöriges, sicheres Urtheil festgestellt. Obgleich die
Römer den Neuern nur die Nachlese in den Gräbern der Alten gelassen haben, so stieg doch bei diesen,
wie einst bei den Römern, indem sich die Mode mit einmengte, die Bewunderung und Schätzung der
Grabalterthümer bis zur blinden Leidenschaft. Gelehrte vernachlässigten über den antiquarischen Gesichts-
punct den artistischen, ertheilten oft aus Vorliebe für Seltenheiten geringen Werken ein übermässiges oder
ungebührendes Lob, wovon die meisten bekannten Schriften Beispiele enthalten. Diess hatte die Folge,
dass der Eifer sehr bald sich in Lauheit verwandelte. Oefters vermengte man auch die verschiedenen
Kunstschulen und Kunstepochen untereinander. Der Unterschied zwischen dem Etruskischen und Alt-
griechischen ist noch immer unbestimmt geblieben; vorzugsweise in Italien werden beide verwechselt;
lange Zeit galten die bemalten Vasen überhaupt für etruskische Kunsterzeugnisse, und jetzt noch lassen
die Italiener, Engländer und Franzosen, theils aus Gewohnheit, theils aus Nationalliebe, ihnen die Be-
nennung, obgleich die von Winkelmann längst geahndete griechische Kunst mancher derselben aner-
kannt worden.
Die neuesten Findungen von Vasen mit etruskischen Inschriften und mit Bildern von geschmackloser
1) Die Uebereinstimmung der indischen mit den altattischen Gesetzen der solonischen Zeit hat Bimsen (de jure hereditario Athcnien-
sium disquisitio philologica. Gotting. 1813. p. 98 sq.) nachgewiesen.
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der es gelang, so manches vor den zerstörenden und wieder umschaffenden Menschen zu verbergen. Die
Bestimmung der Pflichten, welche die Ueb erleb enden gegen die Entschlafenen zu beobachten hatten,
machte einen wesentlichen Theil der ältesten Gesetzgebung aus; hieran knüpften sich Verwandtschafts-
grade, Erbschaftsrechte und die Vernachlässigung des regelmässigen Todtendienstes konnte den Verlust
derselben bewirken *). Sichtlich waltete aber auch ein eignes Geschick über die alten Gräber. Die Mitgift
der Todten sollte erst ihre volle Bestimmung erreichen, indem sie als eine Verlassenschaft derselben auf
die Nachwelt kam, und dieser die Fähigkeit lieh, mit Sehergeist die umdunkelte Vergangenheit zu lichten,
wie die Vorwelt die Zukunft gelichtet. Das Geheimniss der Denkmäler fing an sich der Welt aufzu-
schliessen. Die Fesseln der Altklugheit und pedantischer Wortklauberei begannen vor der überzeugenden
Wirklichkeit und der tieferen Einsicht zu weichen, und eine grossartige poetische Auffassung trat an die
Stelle der kleinlichen Schriftgelahrtheit, die über das Einzelne das Ganze zu beachten vergass. Auf den
Resten des Alterthums wurde eine eigene Wissenschaft gegründet, welche sich der Erdkunde und Geschichte
anschliesst; der classische Boden eröffnete unerwartete, ergiebige Fundgruben, nährte immer neuen Eifer
und Thätigkeit mit der Hoffnung, dass die Lücken der Kenntniss sich ausfüllen lassen. Und so ging in
der neuesten Zeit wieder ein wohlthätiger Einfluss auf den Ideenkreis der Menschen von den Gräbern der
Alten aus.
Das blühende, glückliche Italien, welches die Meisterwerke der Vorwelt in sich verschlungen,
darauf, was die alten Römer versäumt, selbstständig in der Kunst des Mittelalters geleistet, und seitdem
der Kunst und Wissenschaft einen allversammelnden und allerwärmenden Heerd bereitet hatte, lenkte
zuerst das Augenmerk auf seine unterirdischen Schätze ; hier begünstigte herrschender Sinn und Geschmack
die Nachgrabungen in Etrurien, Grossgriechenland und Sicilien, und längst bevor das von Barbaren über-
schwemmte, verwilderte Griechenland untersucht werden konnte, lieferten die Gräber in jenen alten Wohn-
sitzen griechischer Pflanzer und Auswanderer hinlänglichen Vorrath von Kunstwerken, um ganze Museen
zu errichten. Besondere Aufmersamkeit erregten die bemalten Vasen, deren mannigfaltige, öfters unge-
wöhnliche Bilder zum Nachsinnen reizten. Aus einer Masse >on Coiijecluren entwickelte sich im Ganzen
zwar ein klares Verständniss der vorkommenden Gegenstände, jedoch hinsichtlich ihres verschiedenen
Kunstwerthes und Kunststyls hat sich noch kein gehöriges, sicheres Urtheil festgestellt. Obgleich die
Römer den Neuern nur die Nachlese in den Gräbern der Alten gelassen haben, so stieg doch bei diesen,
wie einst bei den Römern, indem sich die Mode mit einmengte, die Bewunderung und Schätzung der
Grabalterthümer bis zur blinden Leidenschaft. Gelehrte vernachlässigten über den antiquarischen Gesichts-
punct den artistischen, ertheilten oft aus Vorliebe für Seltenheiten geringen Werken ein übermässiges oder
ungebührendes Lob, wovon die meisten bekannten Schriften Beispiele enthalten. Diess hatte die Folge,
dass der Eifer sehr bald sich in Lauheit verwandelte. Oefters vermengte man auch die verschiedenen
Kunstschulen und Kunstepochen untereinander. Der Unterschied zwischen dem Etruskischen und Alt-
griechischen ist noch immer unbestimmt geblieben; vorzugsweise in Italien werden beide verwechselt;
lange Zeit galten die bemalten Vasen überhaupt für etruskische Kunsterzeugnisse, und jetzt noch lassen
die Italiener, Engländer und Franzosen, theils aus Gewohnheit, theils aus Nationalliebe, ihnen die Be-
nennung, obgleich die von Winkelmann längst geahndete griechische Kunst mancher derselben aner-
kannt worden.
Die neuesten Findungen von Vasen mit etruskischen Inschriften und mit Bildern von geschmackloser
1) Die Uebereinstimmung der indischen mit den altattischen Gesetzen der solonischen Zeit hat Bimsen (de jure hereditario Athcnien-
sium disquisitio philologica. Gotting. 1813. p. 98 sq.) nachgewiesen.