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glaubten, für Tempel, sondern für Grabepithemen und Stelen mit Reliefbildcrn, welche die Verstorbenen
betreffen, zu halten. Dcmgemäss lassen sich die Vasengemälde in demselben Werke Tab. XI. u. XLIII.
[s. Erklärung 75 u. 75, Seite 47 u. 43 ff.] ohne Schwierigkeit befriedigend deuten.

No. 3. Zu Krissa, jetzt Krissö bei Delphi, vorhandene, marmorne Relicfplatte vom Grabmale eines
Athlothctcn oder Agonothctcn, Kampfrichters der pythischen Spiele. Ihn stellt das flache Bildwerk, dessen
beschädigte Theile durch Puncte ergänzt sind, mit nacktem Oberleib, halb von einem Mantel umhüllt und
beschuht auf einem Feldstuhl, Diphros okladias, Zeichen des Vorsteheramtes^ sitzend und in einer Schrift-
rolle, die er mit beiden Händen öffnet, lesend dar. Wie aus dieser Rolle, aus der neben ihm stehenden
fünfzehnsaitigen Kithara, die zu zwei Achtklängen oder zum doppelten Diapason eingerichtet ist, und aus
den, oben an der Wand des Hintergrundes aufgehängten Gegenständen, namentlich einer netzumgebenen
Sphaera, einer Strigilis nebst einem Amphoridion oder Oelfläschchen und einem pythischen Lorbeerkranz
zu ersehen ist, hat derselbe die Anordnung und Ertheilung des Preises in verschiedenen zu Delphi
gebräuchlichen Wettkämpfen, besonders in den der Dichtung und des Gesangs, der Musik, des Ballspiels
und des Ringens verwaltet.

No. 4. Idealisirtes Reliefbildniss auf einer oben beschädigten und ergänzten marmornen Grabstele
aus Athen, einen nackten Epheben vorstellend, der mit über die Schulter gehängtem, shawlähnlichen
Gewände, Chlanidion, sich an einen [Baumstamm, das Zeichen eines Kepotaphs oder Pflanzungsgrabes, lehnt
und eine Taube bei den Flügeln hält, als Verehrer und Diener der Manenkönigin Persephone Phercphatta,
der Taubenträgerin, oder Aphrodite Epithymbia, Libitina.

Taf. III.

No. 1. Marmorstele aus Athen, an welcher eine grosse, üppig mit Blätter- und Perlenzier ge-
schmückte und mit breitem Deckel geschlossene Hydria oder Wassergefäss in Relief gebildet ist, vermuthlich
nach dem schon gedachten attischen Gebrauch, Unvermählten das Gefäss mit dem Brautbade, Namens
Kalpis, aufs Grab zu setzen, als Zeichen einer Jungfrauengruft.

No. 2. Eine bei Megara ausgegrabene, vom Dr. Mac Michael angekaufte und nach England gesendete
Marmorstele, welche oben mit einem Sockel versehen ist, und das Bildniss eines verstorbenen Kriegers in
erhabener Arbeit vom Styl der Zeit des Kaisers Hadrian, darstellt. Die kräftige Mannesgestalt mit
schönem, bärtigem Antlitz schreitet barfuss vor, gekleidet in einen laconischen, kurzen, halb offenen Chiton
Heteromaschalon, welches ein schmaler Gürtel umfasst, trägt ein am Riemen, Telamon, quer über die
Brust gehängtes, kurzes Schwerdt, Xiphos, den leichten Gewandüberwurf, Chlanis, über die Schulter, den
runden argolischen Schild am Arm, zugleich vermuthlich eine Streitaxt in der Linken und in der Rechten
einen zusammengelegten Pilos tholoeides oder kupp eiförmigen, laconischen Hut, der die Freigeborenen
von den Heloten unterschied, und giebt sich durch diese Tracht als einen Spartaner zu erkennen.

No. 3. Grabepithema aus Athen, in Form einer grossen, massiv von Marmor gemachten Hydria,
wie mehrere in Attika besonders bei Marathon gefunden worden und jetzt in den königlichen Sammlungen
zu Paris, London und München vorhanden sind. Gewöhnlich steht auf der Vorseite solcher Marmorgefässe
in flachem Relief eine Abschiedsscene, wo oftmals die scheidende Hauptperson männlich erscheint und
das Gefäss auf ihre mystische Weihe bezogen werden muss. Das vorliegende Gefäss, dessen Beschädi-
gungen Ich nach den angeführten Beispielen ergänzt habe, enthält gleichfalls eine Abschiedsscene, da in
dieser jedoch eine mit Myrten bekränzte Eingeweihte, mit langem Chiton und Peplon bekleidet, ihrem
Vater, einem bärtigen, mantelumhüllten Greise, Welcher als Magistratsperson auf einem Lehnstuhl,
Klismos, mit Fuss-Schemel sitzt und einen Stab hält, die Hand zum letzten Abschied reicht, so hat
 
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