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dasselbe die schon vorhin erwähnte Bedeutung und bezeichnet hier das Grab einer unvermählten und
zugleich in die Mysterien eingeweihten Jungfrau.

No. 4. Stirnziegeln ähnlicher Zierrath über dem Gesimse einer steinernen Grabstele vom Schlacht-
felde bei Chaeronea, bestehend in einer architektonisch-symmetrischen Anordnung von grossen Blättern
einer idealen Wucherpflanze und zwei schneckenförmig gewundenen Sprossen, aus denen lange, schmale
Blüthenblätter vorschiessen, und in der Mitte eine kleine Blume sich emporschlingt. Die trockene, steife
Behandlung dieser erhobenen Arbeit bezeugt, dass das Denkmal aus der Zeit des Kunstverfalls herstammt.
Die Grundfläche des Bildwerks ist nischenförmig eingebogen.

No. 5. Dreigipfliger Zierrath an einer athenischen Grabstele von pentelischem Marmor, wo über
dem Kranzgesimse in flachem Bildwerk zierlich und ungezwungen aus breiten, eingezackten Wasserblättern
zwei gewundene Sprossen zu beiden Seiten sich hinaufbeugen und zwei eben solche in der Mitte zusam-
mentreten, Reihen länglicher Blüthenblätter nebst zwei Lotosknospen tragend. Oben füllt ein geschmückter
Nagelkopf den Zwischenraum. In dem Ganzen thut sich die Zeit des edlen und vollkommenen Ge-
schmackes kund.

No. 6. Stirnziegeln ähnlicher Zierrath über dem Kranzgesimse einer steinernen Grabstele vom
Schlachtfelde bei Leuktra. Aus nischenartiger Vertiefung tritt in dem ungewöhnlich grossen Bildwerk,
dessen Höhe ehemals gegen 4 Fuss betragen hat, die bis 4 Z. erhobene Arbeit von Akanthosblättern und
Sprossen mit vier schneckenförmigen Auswüchsen, oben eine Reihe Blüthenblätter entfaltend, kräftig
hervor. Der Standort der Grabstele selbst lässt die Zeit ihrer Errichtung im Jahre der leuktrischen
Schlacht [Ol. Cn, 2. v. Chr. 571] vermuthen.

Taf. IV.

No. 1. Marmorstele aus des Consuls Fauvel Sammlung in Athen, einem Dekelier oder von der
attischen Stadt Dekelia am Parnes stammenden Verstorbenen Namens Philippos, Sohn des Euxenides,
gewidmet, wie die angezeigte Inschrift besagt, unter welcher übrigens zwei umgestürzte, mit concentri-
schen Kreisen geschmückte Opferschaalen in Bezug auf die Todtenspende abgebildet sind. Der Stirnziegeln
ähnliche Zierath über der Stele besteht in einer neuen, reichen und höchst anmuthigen Zusammenstellung
von ausgezackten Akanthos- und einfachen langen Lilienblättern nebst gewundenen Auswüchsen, welche,
inspesammt einer Akanthoswurzel entspriesend, in vier Zweige sich theilen und in entgegengesetzten Rich-
tungen symmetrisch den Raum ausfüllen. Zwischen ihnen sind mehrere Nagelköpfe zum Schmuck und
zwei kleine Fläschchen oder Aryballen in Beutelform, mit Bezug auf die Salbung des Grabsteins beim
Todtendienst, angebracht.

No. 2. Aufriss eines, nach Pausanias Angabe [II, 7. 4.] von mir erkannten und wiederherge-
stellten, sicyonischen Grabdenkmals, dessen blosser Marmorgiebel, beschädigt, in der Nähe von Epidaurus
(Pidavro) beim Heiligthume des Aesculap (jetzt Jerö) noch vorhanden und für einen Sarkophagdeckel, trotz
seiner bedeutenden Grösse, ausgegeben worden ist5 (siehe auf gegenwärtiger Kupfertafel unten No. 3. die
Abbildung desselben mit beigefügten Ergänzungen). Der durch diess Grabmal an jenem Orte Geehrte
mUss, aus Sicyon stammend, als einer der vielen wallfahrenden Kranken und Curgäste des ärztlichen
Gottes geendet haben. Gerade die Errichtung eines solchen abgesonderten massiven Tempelgiebels war
das Wesentliche bei dem Gräberbau der Sicyonier. Ihr einfaches Verfahren bestand darin, dass über dem
beerdigten Leichnam zuerst ein Fussgestell oder eine Krepis, darauf Säulen, Kiones, und endlich der
Aetos, Adler, benannte Giebel gesetzt wurde, welcher als ein eigenthümliches heiliges Zeichen der Götter-
häuser galt und diese von Wohnungen der Menschen unterschied. Mit Absicht deutet der fromme Heide

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