6. ZYKLUS, STAFFAGE, ILLUSTRATION SEIT DER
RENAISSANCE
Es versteht sich von selbst, daß neben den in den beiden vorigen Kapiteln
behandelten, auf gruppenhafte Geschlossenheit abgestellten Typen der Daphne-
Darstellung auch vom 16. bis 18. Jahrhundert der andere, richtunggebundene
in Übung bleibt, aus dem sich jene erst durch Hinzuziehung der Figur des
Peneios entwickelt hatten. Es ist aber ebenso begreiflich, daß dieser Typus,
demgegenüber sich ja gerade das selbständige Bild auf seine speziellen Kom-
positionsgesetze hatte besinnen und den es daher sozusagen hat über-
winden müssen, seit der Hochrenaissance nur in relativ wenigen Fällen (S. 33)
sich in Bildern hat halten können; um so mehr aber blieb er in der Illustra-
tion beliebt, deren anderen Erfordernissen er nach wie vor genügte: hier war
das Einseitig-Richtunggebundene ja gestattet, selbst erwünscht.
Zudem ordnen sich die nicht zahlreichen Gemälde, in denen dieser Typus
beliebt bleibt, meistens insofern einer der Illustration verwandten Sphäre ein,
als sie zu Zyklen gehören, deren Teile ja ebenfalls in gewissem Sinne über die
Grenzen der Darstellung selbst hinausweisend gedacht sind und so auch formal
nicht stets die feste Geschlossenheit einer Einzelkomposition erstreben1); oder
aber es handelt sich um anderweitig dekorativ gebundene Werke.
Teile einer Deckendekoration und darin eines Zyklus bilden die einfachen
Szenen von Peruzzi in der Loggia des Castello di Belcaro (1536)2), von einem
Italiener im Apollozimmer der Residenz in Landshut3), von F. Sustris in
der westlichen Grottenhalle der Münchener Residenz4), von Pietro da Cor-
1) S. jedoch oben S. 33 über das Modeneser Bild (Abb. 39).
2) Phot. Alinari 19210; sehr restauriert. Verwandt eine Rundkomposition Poli-
doros da Caravaggio, gestochen 1590 von Cherubino Alberti in der Folge B. 78—88.
3) E. Bassermann-Jordan, Die dekorative Malerei der Renaissance am bayerischen
Hofe, München 1900, S. 27f., Abb. 19. —- Ein großer Reliefzyklus mit Metamorphosen-
darstellungen aus etwa gleicher Zeit war unter den Fenstern einer Hofseite des von
Heinrich VIII. in Surrey erbauten, jetzt völlig zerstörten Palastes Nonsuch zu sehen:
Warton, History of English Poetry, ed. Hazlitt 1871,11, S. 332, Anm. 3 (zu Nonsuch vgl.
die bei H. Hecht, Thomas Plätters d. J. Englandfahrt im Jahre 1599, Halle 1929, S. 161
angegebene Literatur). Einer Folge von ähnlichen Darstellungen in Malerei mag sich
Shakespeare erinnert haben, als er in „Taming of the Shrew" (Ind. IV) dem erwachenden
Pseudo-Lord anbieten ließ:
Dost thou love pictures ? we will fetch thee strait
Adonis, painted by a running brook . . .
usw., dann Io; darauf
Or Daphne roaming through a thorny wood,
Scratching her legs, that one shall swear she bleeds:
And at that sight shall sad Apollo weep:
So workmanly the bloods and tears are drawn.
4) Um 1586, nur fragmentarisch erhalten, Entwurf in der Albertina; vgl. Steinbart,
Marburger Jahrbuch 1928, S. 119!., Abb. 42.
RENAISSANCE
Es versteht sich von selbst, daß neben den in den beiden vorigen Kapiteln
behandelten, auf gruppenhafte Geschlossenheit abgestellten Typen der Daphne-
Darstellung auch vom 16. bis 18. Jahrhundert der andere, richtunggebundene
in Übung bleibt, aus dem sich jene erst durch Hinzuziehung der Figur des
Peneios entwickelt hatten. Es ist aber ebenso begreiflich, daß dieser Typus,
demgegenüber sich ja gerade das selbständige Bild auf seine speziellen Kom-
positionsgesetze hatte besinnen und den es daher sozusagen hat über-
winden müssen, seit der Hochrenaissance nur in relativ wenigen Fällen (S. 33)
sich in Bildern hat halten können; um so mehr aber blieb er in der Illustra-
tion beliebt, deren anderen Erfordernissen er nach wie vor genügte: hier war
das Einseitig-Richtunggebundene ja gestattet, selbst erwünscht.
Zudem ordnen sich die nicht zahlreichen Gemälde, in denen dieser Typus
beliebt bleibt, meistens insofern einer der Illustration verwandten Sphäre ein,
als sie zu Zyklen gehören, deren Teile ja ebenfalls in gewissem Sinne über die
Grenzen der Darstellung selbst hinausweisend gedacht sind und so auch formal
nicht stets die feste Geschlossenheit einer Einzelkomposition erstreben1); oder
aber es handelt sich um anderweitig dekorativ gebundene Werke.
Teile einer Deckendekoration und darin eines Zyklus bilden die einfachen
Szenen von Peruzzi in der Loggia des Castello di Belcaro (1536)2), von einem
Italiener im Apollozimmer der Residenz in Landshut3), von F. Sustris in
der westlichen Grottenhalle der Münchener Residenz4), von Pietro da Cor-
1) S. jedoch oben S. 33 über das Modeneser Bild (Abb. 39).
2) Phot. Alinari 19210; sehr restauriert. Verwandt eine Rundkomposition Poli-
doros da Caravaggio, gestochen 1590 von Cherubino Alberti in der Folge B. 78—88.
3) E. Bassermann-Jordan, Die dekorative Malerei der Renaissance am bayerischen
Hofe, München 1900, S. 27f., Abb. 19. —- Ein großer Reliefzyklus mit Metamorphosen-
darstellungen aus etwa gleicher Zeit war unter den Fenstern einer Hofseite des von
Heinrich VIII. in Surrey erbauten, jetzt völlig zerstörten Palastes Nonsuch zu sehen:
Warton, History of English Poetry, ed. Hazlitt 1871,11, S. 332, Anm. 3 (zu Nonsuch vgl.
die bei H. Hecht, Thomas Plätters d. J. Englandfahrt im Jahre 1599, Halle 1929, S. 161
angegebene Literatur). Einer Folge von ähnlichen Darstellungen in Malerei mag sich
Shakespeare erinnert haben, als er in „Taming of the Shrew" (Ind. IV) dem erwachenden
Pseudo-Lord anbieten ließ:
Dost thou love pictures ? we will fetch thee strait
Adonis, painted by a running brook . . .
usw., dann Io; darauf
Or Daphne roaming through a thorny wood,
Scratching her legs, that one shall swear she bleeds:
And at that sight shall sad Apollo weep:
So workmanly the bloods and tears are drawn.
4) Um 1586, nur fragmentarisch erhalten, Entwurf in der Albertina; vgl. Steinbart,
Marburger Jahrbuch 1928, S. 119!., Abb. 42.