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2. ZUM DARSTELLUNGSPROBLEM
Um die Entwicklung, die die Darstellung der Daphnefabel vom Beginn
bis zum 18. Jahrhundert durchlaufen hat, zu verstehen, ist es gut, vorher das
Problem der Darstellung kurz zu analysieren.
Wir halten uns zu diesem Zweck zunächst an diejenigen Lösungen, die
das Transitorische desV or wurfs mit besonderem N achdruck herausarbeiten.
Es gibt natürlich auch Fassungen — und es wird von ihnen noch zu sprechen
sein — die das Transitorische mehr oder weniger bewußt vermeiden; aber es
ist doch zweifellos, daß die Hauptlinie der Entwicklung zu immer stär-
kerer Betonung dieser ja auch in Ovids Text zu Vollkommenheit gebrachten
und für unsere Empfindung entscheidend wichtigen Form drängt, die seit
der Renaissance die herrschende ist.
Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich das Problem so dar: Es handelt
sich um die Darstellung eines Vorgangs, in dem Verfolgung, Flucht, Anhalten
und Verwandlung gleichzeitig wirksam sind. Das heißt, es soll
1. in Apollo gleichzeitig das Laufen, Zupacken, Erkennen und Anhalten,
2. in Daphne gleichzeitig das Anhalten, Flehen und Verwandeltwerden
gezeigt werden. Es liegt also ein Bewegungsproblem vor.
Zunächst bei Apollo: Es wird da insofern über die Darstellung eines
Moments hinausgegangen, als gleichzeitig zwei im Grunde sukzessive
Stadien, nämlich Laufen und Anhalten anschaulich gemacht werden sollen.
Damit taucht für uns das Problem des „fruchtbaren Moments“ auf, das jedoch
hier eine überraschend einfache Lösung zu finden pflegt. Die Künstler nämlich
waren in der Regel in erster Linie bestrebt, Apollo — oft im Gegensatz zu der
anhaltenden und sich verwandelnden Daphne — noch laufend, d. h. in
einem Augenblick der Laufstellung wiederzugeben. Damit aber unterwarfen
sie sich, man darf sagen unwillkürlich, dem Gesetz1), wonach ein „momenta-
ner“ Ausschnitt aus einem Bewegungsvorgang notgedrungen den Charakter
des Erstarrten, Bewegungslosen erhält, und damit ist das spezielle Problem
gerade dieses Moments oft gleichsam automatisch gelöst, das Plötzliche des
„Anhaltens“ schon in der üblichen Darstellung des „Laufs“ mitgegeben.
Gerade dadurch, daß es sich nicht um eine Szene handelt, die nach moderner
Anschauung (im theoretischen wie praktischen Sinne) die Wiedergabe der
„Tjpepla“ im Sinne potentieller „Anweisung auf Bewegung“ notwendig er-
fordert, ist die übliche Lösung wie von selbst die „richtige“.2)

1) Vgl. darüber zuletzt die wichtigen Ausführungen von E. Panofsky, Albrecht
Dürers rhythmische Kunst, Jahrbuch f. Kunstwissenschaft 1926, bes. S. i4iff.
2) Über die Rolle, die dann in Darstellungen des 16. bis 18. Jahrhunderts die Neben-
figuren spielen, und über das damit verbundene Problem der Zeit-Einheit innerhalb
von Haupt- und Nebenszenen vgl. weiter unten Kap. 5.
 
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