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Gesellschaft für Nützliche Forschungen zu Trier [Hrsg.]
Trierer Jahresberichte: Vereinsgabe d. Gesellschaft für Nützliche Forschungen zu Trier — NF 3.1910(1911)

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Jahresbericht der Gesellschaft für nützliche Forschungen für das Jahr 1. April 1909 bis 31. März 1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.44042#0019
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Dienstag, den 15. März. V. Vortrag.
Domkapitular Dr. Lager: Die französischen Emigranten in der
Stadt und im Erzbistum Trier.
Der Vortrag befasste sich mit den französischen Emigranten in Trier und auf trierischem
Gebiete zur Zeit der Revolution gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Als Quelle dienten
hauptsächlich Schriftstücke des Domarchivs und der Trierischen Stadtbibliothek.
Schon bald nach dem Ausbruch der grossen Staatsumwälzung in Frankreich im
Sommer 1789 suchten eine Menge Franzosen, denen die Heimat nicht mehr Schutz und
Sicherheit bot, eine Zuflucht auf fremdem Boden, besonders in den Nachbarländern, vor
allem in Trier und auf trierischem Gebiete. In grosser Zahl erschienen sie hier, unter
ihnen hochstehende Persönlichkeiten und fanden die gastfreundlichste Aufnahme sowohl
von Seiten des damaligen Statthalters und Domdechanten Freiherrn v. Kerpen, wie auch
bei der Bürgerschaft, der sie anfangs reiche materielle Vorteile brachten. Ihre Zahl nahm
noch bedeutend zu, als sich infolge der neuen Verfassung in Frankreich und der sog. bürger-
lichen Konstitution für den Klerus alle der alten Ordnung treu ergebene Franzosen von
den härtesten Massregeln und Verfolgungen bedroht sahen.
Noch mehr als Trier war Koblenz der Sammelplatz der Emigranten, so dass man es
als die Hauptstadt des auswärtigen Frankreich bezeichnete. Hier genossen die Brüder des
französischen Königs Ludwig XVI., die Grafen v. Provence und v. Artois die zuvorkom-
mendste Gastfreundschaft des mit der Bourbonenfamilie verwandten trierischen Kurfürsten
Clemens Wenzeslaus, und durften sogar eine eigene Regierung bilden. Ueber das damals
in Koblenz herrschende Leben und Treiben wurden einzelne Schilderungen aus den Auf-
zeichnungen des kurfürstlichen Oberhofmarschalls Grafen v. Boos-Waldeck mitgeteilt.
Indes verursachte schon im Laufe des Jahres 1791 die stetig zunehmende Zahl der
Emigranten eine gewisse Unruhe bei der Bevölkerung. Die Nationalversammlung in Paris
begann eine drohende Sprache zu führen, da ihr nicht unbekannt bleiben konnte, dass die
Emigranten Rüstungen betrieben, die eine Gegenrevolution bezweckte, um die alte Ordnung
in Frankreich wieder herzustellen. Sie forderte ihre Ausweisung aus den Nachbarländern,
vor allem aus dem Kurstaat Trier. Die Unruhe der Bevölkerung wuchs, die Besorgnis vor
einem feindlichen Einfall steigerte sich. Mehrfach wurden von den Direktorien der trierischen
Landstände Vorstellungen und Bitten an den Kurfürsten gerichtet, die Rüstungen der Emi-
granten mit Rücksicht auf die erregte und feindselige Stimmung in Paris zu verhindern, vor
allem die Königlichen Prinzen aus dem Lande zu entfernen. Aber erst nach wiederholtem
Drängen seitens der Direktorien und der Drohung, dass man sich an das Reich um Hülfe
wenden und die Nationalversammlung selbst in Kenntnis setzen werde, dass die Bevölkerung
und die Stände an dem Aufenthalte und dem Treiben der Emigranten keine Schuld treffe,
erfolgte Ende Dezember 1791 ein kurfürstlicher Erlass, nach welchem allen Franzosen in
der Stadt Trier, mit Ausnahme der Frauenspersonen, der Geistlichen und Privatleute, welche
mit ihren Familien in der Stille lebten und zu keinem militärischen Corps gehörten, des-
gleichen allen Franzosen oberhalb Triers in der Mähe der französischen Grenze bekannt
gegeben werden sollte, dass sie innerhalb acht Tagen ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort zu
verlassen und sich in die tiefer gelegenen Teile des Kurstaats zurückzuziehen hätten. Des-
gleichen seien alle militärischen Rüstungen, welche auf eine Gegenrevolution hindeuten
könnten, mit aller Strenge zu verhindern usw. Noch schärfere Verordnungen vom 3. Januar
1792 sollten der Nationalversammlung zur Kenntnis gebracht werden, um ihr den Beweis zu
liefern, dass man die Absichten der Emigranten keineswegs begünstige. Damit glaubte man
die Gefahr vor einem feindlichen Einfall abgewendet zu haben und die Bevölkerung beruhigen
zu können, letzteres um so mehr, da ja Oesterreich im Falle eines Angriffs seitens Frank-
reichs dem Erzstift seinen Schutz zugesagt habe.
Allein die Berichte v. Kerpens an den Kurfürsten und den Staatsminister v. Duminique
melden das Gegenteil; trotz aller Erlasse, die nur zum Teil oder gar nicht zur Ausführung
kamen, weil man ihnen nicht den gehörigen Nachdruck zu geben im Stande war, blieb die
Lage die gleiche, die allgemeine Unruhe, die Furcht nahm zu, die Klagen gegen den Kur-
fürsten, der machtlos den Tatsachen gegenüberstand, wurden aufs neue laut.
Noch schlimmer wurde es nach der Kriegserklärung Frankreichs an Oesterreich im
Monat April, grösser die Besorgnis und Unruhe, neue Erlasse gegen die Emigranten folgten,
Bitten und Vorstellungen des Kurfürsten bei den führenden Persönlichkeiten der Emigranten,
sein Land nicht in die Gefahren eines Krieges zu verwickeln, alles war vergeblich.
Erst nach dem unglücklichen Feldzuge der preussischen und österreichischen Heere
gegen Frankreich im Herbste des Jahres 1792, an welchem die Emigranten auf ihr instän-
diges Drängen teil nehmen durften, gelang es, wenigstens ihre bewaffneten Korps von dem
Erzstift fern zu halten, und ein Erlass vom Oktober desselben Jahres verfügte, dass alle
Franzosen bis zum 1. November die Kurlande zu verlassen hätten, neu ankommende sollten
 
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