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Der germanische Mensch

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Unterschied. Nur sind die Germanen noch wilder, noch größer, noch
blonder als die Leiten, die aber im allgemeinen ebenso wie sie aussehen.
Da unsere Augen an den Gegensatz zwischen den großen blonden Ger-
manen und den kleineren, dunklen Romanen gewöhnt sind, wundern
wir uns ein wenig über solche Berichte und bemühen uns, sie auf diese
oder jene Weise mit unseren eigenen Auffassungen in Harmonie zu
bringen, war es ein langsames Zunehmen der Vermischung mit den
Römern, das auf dem Boden des späteren Frankreich dem kleinen,
dunklen Menschentypus das Übergewicht verschaffte? Oder verstand
man im Altertum etwa unter „Lelten" in erster Linie die Stämme,
die unter dem Sammelnamen „Belgae" zusammengefaßt werden?
Diese scheinen tatsächlich zum großen Teil von germanischer Abkunft
zu sein. Oder waren die Lelten, allgemein gesprochen, wirklich ein
großer blonder Schlag? Dann wäre das Volk, das heute Frankreich
bewohnt, vielleicht die artliche Fortsetzung einer noch älteren Urbevöl-
kerung, die ihre körperliche Wesenheit zuerst auf Losten der keltischen
Eroberer und später gegen das germanische Herrenvolk siegreich durch-
zusetzen vermochte?
Dies ist ein weites Feld, und man kann hier nach Herzenslust auf
seinem anthropologischenSteckenpferd Herumreiten. Ls gibt aber auch
andere Möglichkeiten, die vollauf verdienen, daß man sich mit ihnen
beschäftigt. So sind die Schotten noch heutzutage in wuchs und
Erscheinung ebenso beschaffen, wie wir es aus den Beschreibungen der
Germanen kennen. Die gelegentlich aufgetauchte Theorie, die Schotten
seien Abkömmlinge norwegischer Seefahrer, die Jahrhunderte vor
Beginn unserer Zeitrechnung in kühner Fahrt die Nordsee überquert
und sich in Schottland niedergelassen hätten, erscheint schwer an-
nehmbar. Eher möchte man der Auffassung zuneigen, daß gewisse
Einflüsse des Llimas und der Bodenbeschaffenheit die Entwicklung
eines bestimmten Menschentypus begünstigen. Hiernach würde die
weitgehende Übereinstimmung des Lörperbaus, die zwischen Friesen,
Norwegern und Schotten besteht, als das Lennzeichen einer „Nord-
seeküsten-Brvölkerung" aufgefaßt werden können und ihre Erklärung
finden.
In dem heutigen germanischen Gebiet gibt es bekanntlich sehr ver-
schiedenartige Volkselemente, die nach ihren körperlichen Eigenschaften
nicht zu einer und derselben Rasse gerechnet werden können, weil sich
aber in geschichtlicher Zeit die Germanen weit außerhalb ihres ur-
 
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