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Das Familienleben

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Das Familienleben
Der Familienverband der Germanen
ie Familie ist die Grundlage des Zusammenlebens der Germanen.
Sie umschließt alle, die durch Bande der Blutsverwandtschaft
miteinander verbunden sind, und sie bildet ein organisch gewachsenes
Ganzes, das gegenüber der Außenwelt als eine unzerbrechliche Einheit
auftritt. Das Blut, das in den Adern der Familienmitglieder fließt,
ist zugleich auf mystische Art ein allen Familiengenossen gemeinsamer
Träger der Lebenskraft und des Lebensglückes. Die germanische Familie
ist nicht eine Verbindung einer Anzahl von Linzelpersönlichkeiten,
die ihre Abstammung und nichts anderes gemeinsam haben.
Die Familie ist vielmehr die eigentliche Einheit, welche alle zu-
sammenfaßt.
Der Mensch lebt nach dieser Auffassung nicht in erster Linie sein
eigenes Leben, sondern er lebt es als Teil einer Familiengemeinschaft,
wenn ihm das Heil seiner Familie als vornehmstes Ziel vor Augen
steht, so fördert er sein Glück. Denn durch ihre Blüte und durch
ihr Ansehen wird er selber gestützt und gefestigt. Der Familienverband
vergegenwärtigt einen Schatz von Rraft und sittlichem Wohlstand,
der zu einem bestimmten Teil auf jedes seiner Mitglieder übergeht
und der seinerseits wiederum durch die Handlungen der lebenden
Generation vermehrt wird. Heute begegnen wir oft genug der
Anschauung, Ehre und Ansehen der Familie seien wesenlose Begriffe,
die höchstens der persönlichen Eitelkeit des einzelnen schmeicheln könn-
ten. Für die Germanen waren diese Dinge große Wirklichkeiten,
waren die eigentliche (Quelle des Gedeihens, des Erfolges der Blut-
verwandten.
Für jedes Familienglied bestand daher die Pflicht, diese Lraftquelle
ungetrübt zu erhalten. Dies war nicht nur eine Pflicht, sondern zu-
gleich eine Forderung des Selbsterhaltungstriebs. Mit und durch seinen
Familienzusammenhang ist und vermag der Mensch alles; getrennt
von ihm ist er nichts als ein dürrer Zweig, den man von einem
blühenden Baum abgeschnitten hat. Jede Handlung, die dem An-
 
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