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https://doi.org/10.11588/diglit.44910#0079
Germanentreuc
07
neueren Zeit ein einziger Beweis ihres nie ruhenden Tatendrangs!
Andererseits macht der Germane in Zeiten erzwungener Ruhe gar
zu leicht den Eindruck der Teilnahmlosigkeit. Funkelnde Spiele des
Witzes, in denen man so gern einen Beweis großer geistiger Be-
weglichkeit erblickt, liegen ihm nicht, er ist schweigsam und zurück-
haltend. Tacitus, der hier sicher nur vom Hörensagen spricht, hat den
Germanen nicht mitten in seiner Tätigkeit gesehen, wenn der Römer
den Germanen in seiner Wohnung besuchte, fand er ihn wortkarg
und anscheinend durch das, was vorging, nur wenig innerlich be-
schäftigt; so kam allzu leicht die Anschauung zustande, der Stumpf-
sinn hätte bei diesem Volk vollendete Vertreter gefunden. Doch auch
hier bietet die germanische Überlieferung selber uns tiefere Einblicke;
es sei hier nur an den Spruch der Edda erinnert, der Mann solle im
Umgang mit Gästen aufgeweckt und freundlich sein. Nein, wir
brauchen daran nicht zu zweifeln, daß auch der Germane Formen
des behaglichen Verkehrs unter Menschen kannte, und daß sich diese
Formen mit seiner Vorstellung von einem würdigen männlichen Auf-
treten durchaus vertrugen.
Lharaktereigenschaften
Germanentreue
eine Tugend achtete der Germane so hoch wie das treue Festhalten
am gegebenen Wort. Die ganze Heldendichtung ist voll von
Lobgesängen auf Männer, die ihre Ehre und ihr Glück der Treue
aufopferten; manch einer ging mit offenen Augen ins Verderben, nur
um sein Wort nicht brechen zu müssen. Ls gibt freilich auch einen
unangenehmen Nebenklang der „deutschen Treue". Man vernimmt
ihn, wenn von Menschen die Rede ist, die sich von einem Herrn, dem
sie einmal ihre Treue verpfändet haben, willenlos zu allem, was er
von ihnen fordert, gebrauchen lassen.
In der Zeit, als die Wikinger in einem fortwährenden Kleinkrieg
mit den Völkern Westeuropas verwickelt waren, ertönten in allen
Chroniken bewegliche Klagen über diese grausamen Ungeheuer, über
5*
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neueren Zeit ein einziger Beweis ihres nie ruhenden Tatendrangs!
Andererseits macht der Germane in Zeiten erzwungener Ruhe gar
zu leicht den Eindruck der Teilnahmlosigkeit. Funkelnde Spiele des
Witzes, in denen man so gern einen Beweis großer geistiger Be-
weglichkeit erblickt, liegen ihm nicht, er ist schweigsam und zurück-
haltend. Tacitus, der hier sicher nur vom Hörensagen spricht, hat den
Germanen nicht mitten in seiner Tätigkeit gesehen, wenn der Römer
den Germanen in seiner Wohnung besuchte, fand er ihn wortkarg
und anscheinend durch das, was vorging, nur wenig innerlich be-
schäftigt; so kam allzu leicht die Anschauung zustande, der Stumpf-
sinn hätte bei diesem Volk vollendete Vertreter gefunden. Doch auch
hier bietet die germanische Überlieferung selber uns tiefere Einblicke;
es sei hier nur an den Spruch der Edda erinnert, der Mann solle im
Umgang mit Gästen aufgeweckt und freundlich sein. Nein, wir
brauchen daran nicht zu zweifeln, daß auch der Germane Formen
des behaglichen Verkehrs unter Menschen kannte, und daß sich diese
Formen mit seiner Vorstellung von einem würdigen männlichen Auf-
treten durchaus vertrugen.
Lharaktereigenschaften
Germanentreue
eine Tugend achtete der Germane so hoch wie das treue Festhalten
am gegebenen Wort. Die ganze Heldendichtung ist voll von
Lobgesängen auf Männer, die ihre Ehre und ihr Glück der Treue
aufopferten; manch einer ging mit offenen Augen ins Verderben, nur
um sein Wort nicht brechen zu müssen. Ls gibt freilich auch einen
unangenehmen Nebenklang der „deutschen Treue". Man vernimmt
ihn, wenn von Menschen die Rede ist, die sich von einem Herrn, dem
sie einmal ihre Treue verpfändet haben, willenlos zu allem, was er
von ihnen fordert, gebrauchen lassen.
In der Zeit, als die Wikinger in einem fortwährenden Kleinkrieg
mit den Völkern Westeuropas verwickelt waren, ertönten in allen
Chroniken bewegliche Klagen über diese grausamen Ungeheuer, über
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